Ich mag in manchen Dingen sehr sensibel sein, aber ich bin auch zäh. Ich will nicht daheim auf meiner Couch mit einer Erwerbsunfähigkeitsrente versauern. Nicht falsch verstehen, ich bin froh nicht im Jobcenter-Druck zu stecken, oder noch schlimmer: in einem Vollzeitjob den ich nicht mag und kurz vorm zusammenklappen bin (jahrelang gehabt). Ich bin froh, dass es diese Möglichkeit der EU-Rente in unserem Land gibt und mir diese Pause derzeit zugestanden wird.
Auch bin ich selten zufrieden. Das Zufriedenheitsgefühl vor kurzem, hielt auch nur kurz an. Kenn ich schon. Von mir. Ich muss viel machen, um mich nicht unterfordert zu fühlen (wobei ich mich blöderweise oft geistig unter- aber nervlich überfordert fühle, da eine gesunde Mitte zu finden ist schwierig). Deswegen glaube ich treffe ich mich auch mit fremden Männern: Der Thrill, das unnormale, das was keiner von mir erwarten würde. Das Adrenalin lässt meine Augen strahlen, zaubert mir einen gesunden Teint ins Gesicht, ich rede, lache, bin hin und weg, unterhalte mein Gegenüber, lüge wie gedruckt was ich beruflich mache und habe (scheinbar) Spaß. Keiner würde mir eine Sozialphobie diagnostizieren oder eine Depression oder eine komplexe PTBS.
Ich kann schauspielern, ich kann Gefühle verstecken, ich kann das zeigen und machen was der Andere will. Das habe ich gelernt, von klein auf. Musste ich lernen, um die Stimmungen zu erahnen oder die Stimmung zu heben, wenn das Familienchaos drohte überzuschwappen.
Der Kick im Alltag. Den hole ich mir dadurch.
Aber eigentlich wollte ich was anderes erzählen. Genau, dass ich nicht auf der Couch vergammeln will. Ich mache also weiter. Es gibt Ziele in meinem Leben. Auch das ist neu. Sowas macht man in meiner Familie nicht. Da leidet man und geht arbeiten und schiebt schlechte Laune für die grundsätzlich die anderen verantwortlich sind!
Auch wenn jetzt das Ziel erstmal nicht direkt angepeilt werden kann, so ist es doch nur aufgeschoben. Dann gibt es eben kleinere oder andere Schritte. Und auch das ist neu! Früher ließ ich das Ziel einfach fallen, sobald nur der Hauch einer Schwierigkeit auftauchte. Oder ich „vergaß“ das Ziel einfach, weil uninteressant oder warum auch immer.
So kam es, dass ich heute von meiner Couch aufstand und zu einem Vorstellungsgespräch ging. Job bekommen. Zwar wieder ein Putzjob, aber das macht nichts. Ich sehe ja mein Ziel, auch wenn es derzeit ein wenig verschleiert ist. Dieses Ziel lass ich nicht los. Daran hindern mich auch all die Diagnosen nicht.
Ich kämpfe. Ich will leben!