Vor kurzem dachte ich darüber nach offener mit meinen Ängsten umzugehen. Sprich: es öfter nach außen ansprechen, damit die Leute wissen, warum ich öfters so angestrengt schaue, sehr vieles zu ernst nehme, Verabredungen absage, es mir sooft so schlecht geht. Ich dachte, das wäre vielleicht gut, um Mißverständnisse vorzubeugen.
Aber es gibt einen Grund, warum soviele psychisch Kranke ihren Zustand verheimlichen. Wenn schon eine Kerbe da ist, fällt es anderen um einiges leichter in dieselbe zu schlagen. Man ist verletzlicher, man wird angreifbarer, wenn man sich outet. Es ist halt immer noch nicht gern gesehen, man kann mit dieser komischen unsichtbaren Psyche nichts anfangen. Und tief im Hirn ist immer noch verankert: Vor noch nicht allzu langer Zeit wurde man, wenn man sich komisch benahm, als Hexe verbrannt.
Auch in der Tierwelt gilt die natürliche Selektion. Die schwachen und kranken werden aussortiert. Und soweit sind wir nunmal nicht vom Tier entfernt. Unser Mantel der Toleranz ist sehr sehr dünn. Nach außen zeigt man zwar Verständnis, nach innen wedelt aber immer noch die Scheibenwischerbewegung. Shit happens.
Menschen im Buisnessanzug werden weit weniger Opfer von Gewalt als Obdachlose. Ok, eine sehr traurige Ausnahme ist Dominik Brunner, der sich gegen pöbelnde Jugendliche stellte und dafür mit dem Leben bezahlen musste und das auf einem Bahnsteig in Münchens nobelstem Viertel Solln.
Meine innere Alarmanlage funktioniert gut. Ich ahnte schon immer, dass es besser sei so normal wie möglich zu erscheinen und nur wenige Menschen einzuweihen, wie es wirklich um mich bestellt ist.Und dabei bleibe ich in Zukunft auch!
Jetzt ist mir klar, warum ich eher schweige und etwas durch stehe, als mich zu offenbaren. Gerade bei Ärzten und deren Helferpersonal! Nicht selten kommt bei einer offen Aussprache meinerseits erst recht die sadistische Ader der vermeintlichen Götter in weiß ebenfalls offen zutage. Und das ist nicht selten!
Ich weiß warum ich sehr gepflegt und kompetent erscheine. Die Fassade muss sitzen. In einer Tagesklinik wurde ich von einer stationären Patientin für eine Ärztin gehalten und das in einer Zeit, als es mich vor Panik nur so geschüttelt hat, so dass ich noch nicht mal mit den anderen 10 Patienten zu Mittag essen konnte und daher mein Pausenbrot draußen im Park einnehmen durfte. Kommentar einer Mitpatientin: „Was musst du für einen Leidensdruck haben, wenn du selbst bei minus 10 Grad lieber raus gehst!“
Der andere weit kleinere Grund warum man von Depri & Co lieber nichts sagt ist, dass man weder Mitleid noch gute Ratschläge erhalten möchte. Aber, wie gesagt, das ist das kleinere Übel, sollte es denn mal passieren.
Ich glaube nicht, dass man dadurch verletzlicher wird. Wirklich die allerwenigstens Menschen trauen sich in eine Kerbe zu schlagen, die sie kennen. In 99% (meine Erfahrung) der Fälle weiß „der/die Gegenüber“ nicht, dass eine Kerbe da ist und weiß auch nicht, dass er in eine reingeschlagen hat. Und dann wird man da häufiger getroffen. Die restlichen 1%, die das absichtlich machen sind selbst so arm dran, dass sie in paar Jahren selbst in der Psychiatrie Zeit haben darüber nachzudenken. Meiner Erfahrung hat bisher jeder, der die Kerbe kannte, darauf acht gegeben.
Stigmatisierung ist dennoch ein riesen Problem das stimmt schon. Wird aber inzwischen besser. Die Generation unserer Eltern, also die Nachkriegsgeneration, hat von ihren Eltern halt auch noch gelernt, dass psychisch Krank = verrückt ==> wegesperrt oder getötet. Da gibts Bücher darüber wie die Nazis heute noch Heilung psychischer Krankheiten beeinflussen oder verhindern.
Weiteres Problem ist, dass psychische Krankheiten insbesondere Depressionen in den Medien immer oft als Grund genannt werden für irgendwelche Selbstmorde oder Amokläufe und das ist bedenklich weil ziemlicher Quatsch. Aber Medien können nie was offen lassen. Also wenn jemand Amok läuft und sonst nie auffällig war hoffen die ja fast, dass er wenigstens eine Stunde bei nem Psychologen war um ihm gleich sowas anzudichten. Mehr als bedenklich. Das legt dann manchen Normalintelligenten direkt wieder ne gemachte Meinung in den Bereich wo eigentlich Hirn zu selbst denken sein sollte 🙂
Ich denke wichtig ist einfach nur, was du selbst denkst. Pro und Contra abwägen etc. Ich hab mich auch nicht „geoutet“ außer bei en paar wichtigen Freunden. Weil ich einfach befürchte bei der Arbeit dazu mehrheitlich Nachteile zu haben. Obwohl eigentlich überzeugt bin, dass mit den Kollegen das hier sogar ziemlich gut ginge überwiegt die Angst und das allgemein schlechte Gefühl. Bei den Freunden hatte ich das auch erst, und es ist eigentlich durchweg a) nix schlimmes passiert wie ich dachte und b) ziemlich angenehm wenn man einfach sagen kann, „ne du heute geht nix bei mir, ich will einfach meine ruhe“. Ich wünschte aber auch, bei der Arbeit wäre das Gefühl auch nicht so mit Angst besetzt bezüglich einem „outing“.
LG
LikeLike
danke für Deinen Kommentar. Ich habe halt leider andere Erfahrungen gemacht und bin da sehr vorsichtig geworden.
Stimmt, das mit den Nazis ist ja noch näher da, als die Hexen ^^.
Ich wünsche Dir, dass Dir nicht zuviele von den 1% übern Weg laufen!
LikeLike