Selbstverteidung

Ein Thema das für mich sehr wichtig ist und ich deswegen immer mal wieder darüber schreibe. Auch mit der Gefahr das ich mich wiederhole. Egal, es ist wichtig!

Grenzen verteidigen ist als Frau fast tagtäglich Thema. Leider. Sich selbst verteidigen fängt nicht mit dem Taekwando-Schulterwurf oder dem Tritt in die Eier an, sondern viel eher.

Männer weichen selten aus im öffentlichen Raum. Sie nehmen sich ganz selbstverständlich mehr Raum. Egal ob auf der Straße oder in der Bahn.

So einen Fall hatte ich gestern mal wieder. Ich bin sehr groß und die neuen S-bahnen haben weniger Beinfreiheit (überhaupt sind die neuen eine einzige Fehlkonstruktion, aber das ist ein anderes Thema). Wenn sich also zwei große Menschen gegenüber sitzen, muss jeder ein wenig seine Beine einknicken oder zur Seite schieben. Natürlich mache auch ich Platz, aber bei weitem nicht mehr soviel wie früher, damit es der Mann auch ja bequem hat. Diese Zeiten sind echt vorbei.

Das irritiert den ein oder anderen Mann der mir dann gegenüber sitzt. Ich mache mich nicht extra lang, ich bin so lang, das erkennt man aber nicht so sehr im sitzen. Mich amüsiert das immer, wenn dann der Mann nicht so recht weiß was er machen soll und ich meine eine leichte Empörung zu spüren (das muss aber nicht sein): wie jetzt…. die Frau da nimmt sich einfach auch soviel Platz wie ich? Unerhöhrt!“

Gestern setzte sich mir gegenüber ein Pärchen, Mitte/Ende 50. ER saß mir gegenüber. Natürlich wollte er breitbeinig sitzen, das ging sich aber nicht so aus, weil da mein Knie eben war. Früher hätte ich gelächelt und ihm Platz gemacht, mich womöglich noch entschuldigt! Nun nicht. Er wurde etwas zappelig. Er suchte eine bequeme Position, stieß mein Knie an, drückte ganz kurz aber stark dagegen, sah dann überrascht auf meine Beine (ich weiß nicht wie gespielt die Überraschung war) und blieb dann ruhig sitzen. Natürlich kam auch keine Entschuldigung! Wo kämen wir denn hin!

Ich blieb währenddessen ganz ruhig, sah selig träumend aus dem Fenster, als ob ich das alles gar nicht mitkriegen würde und machte keinen mm Platz und sah auch nicht zu ihm rüber. Für mich ein Fortschritt. Sie stiegen dann als erster aus und weg waren sie.

In Selbstverteiigungskursen (oder zumindest in den Büchern die ich dazu las) war oft die Rede von: dass man dem Mann auf sein Fehlverhalten ansprechen soll und ihn auffordern mehr Platz zu lassen. Für mich als Soziaphobikerin geht das nicht, weil es konfrontativ ist und der andere genau in die Kerbe einschlagen kann und vielleicht aggressiv reagiert: „da is doch nichts, was hast du nur !“ oder gleich mit Beschimpfungen loslegt und ich dann blöd dastehe. Schlimmstenfalls noch die Blicke der anderen auf mich ziehe, dann rot und unsicher werde…nein für mich die falsche Strategie.

Vor allem wenn man auf engstem Raum sich gegenüber sitzt. Für mich hat sich das bewährt: Gerade, souveräne Haltung, locker sein (auch wenn ich es innerlich nicht bin), ruhig ein wenig arrogant bis hochnäsig erscheinen (lieber das als mucksmäuserisch), je nach Situation/Raum dem anderen fest in die Augen blicken. Wenn ich wo warte so stehen, dass ich entweder eine Wand im Rücken habe, oder an einer Seite, fühlt sich sicherer an. Und das strahlt man dann auch aus. Auf guten Bodenkontakt achten. Mit beiden Beinen fest stehen. Abstand visualisieren (gerade in einer Schlange zum Hintermann).

Auch wenn man das (nach Ansicht mancher Selbstverteidigungslehrer/Feministinnen) nicht machen soll: Wirds mir zu blöd, aus welchen Gründen auch immer: Gehen! Und zwar weg. Aus der Situation. Auch das ist für mich leider immer oft noch nicht möglich weil bei meinen frühkindlichen Traumatisierungen Flucht nicht möglich war, also habe „aushalten“ gelernt und perfektioniert. Ich arbeite hart daran das aufzulösen. Und auch wenn aus mancher Sicht dann der Mann gewonnen hat, wenn man geht: Egal, die Unversehrtheit ist viel wichtiger!

Im Kopf immer mal wieder Situationen durchspielen wie ich jetzt reagieren könnte, wenn das und jenes passieren würde. Das dient nicht zur Angstmacherei, sondern damit man in der Situation schneller reagieren kann, weil einem alles nicht so ganz neu ist. Auch ruhig zuhause ein wenig Kopfkino spielen lassen: Was mache ich das nächste Mal wenn mir an der Kasse wieder so nah einer aufrückt oder der Schwager/Nachbar wieder seine Hand auf meinen Arm legen will. Wenn ihr alleine übt: Sprecht es laut und deutlich aus: Stop! Nein! Lassen Sie mich in Ruhe! Halten Sie Abstand! Allein das ist schon sehr wirkungsvoll.

Auch ganz wunderbar: TaeBo, schauts Euch auf Youtube an, wem das zu sportlich ist übt einfach so boxen, in die Luft, ohne Handschuhe. Mich stärkt das immer sehr!

ÜBT! ÜBT! ÜBT! Es muss Euch in Fleisch und Blut übergehen bei der ersten kleinsten Grenzverletzung (oft sind das Tests wie weit man mit Euch gehen kann!) oder beim kleinsten unguten Gefühl darauf zu hören und zu entscheiden!

Viele Frauen haben Angst dann als unhöflich zu gelten oder den Mann zu verletzen der einem doch gar nichts wollte. Glaubt mir, sehr viele Männer benehmen sich auch nicht höflich!

Übt im kleinen, da wo es Euch am leichtesten fällt, auch gegenüber Frauen. Sage auch da NEIN und WILL ICH NICHT!

Was mir in der ganzen Hinsicht am meisten half (und nicht unbedingt zu empfehlen ist): Ich habe damals in der Se*arbeit Männer geschlagen. Die wollten das. Die haben dafür bezahlt. Ja mit Stiefel, direkt in die Mitte. Mich befreite das aus einer Art Trance ala „ich kann mich nicht wehren, der Mann ist immer stärker usw.“

Wenn ich mich mit einem Mann in meiner Nähe nicht wohlfühle oder der schon Anstalten macht hilft mir das heute oft innerlich zu sagen: „Ein falscher Schritt und ich mach Rührei aus dir.“ Oder einfach eine Szene von damals zu visualisieren, wie ich zuschlug. Und setze meinen bösesten Blick auf und denke weiter: „Junge das wirst du bereuen! Benimm dich!“

Zurück zu dem Mann in der S-Bahn.

Wie hätte man noch reagieren können? z.B. freundlich-ironisch: „haben Sie genug Platz?“ Oder ganz trocken ohne lächeln: AU! Für ganz mutige: „Sie hätten sich schon entschuldigen können!“ (das hätte für ihn umso peinlicher werden können, weil er händchenhaltend mit seiner Frau/Freundin da saß und wer steht schon gern als unhöflicher Frotzel da (außer er ist einer und merkt es nichtmal).

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