Verwandtschaftsbesuch kündigte sich an. Was mich wunderte, war ich doch erst vor wenigen Wochen bei meiner Tante und Cousine. Aber nun wollten sie mich besuchen.
Zu ihnen zu fahren war oft so stressig für mich das ich oft mindestens 1x absagen musste, beim 2.Anlauf ging es dann besser. Jetzt da sie zu mir kamen war der Streßpegel um einiges höher: Es geht um meine Wohnung, das Essen das ich auftische und überhaupt: bin ich ein guter Gastgeber? Ist alles sauber? Ach wieder die alten Wellen aus früheren Zeiten…ich fand die goldene Mitte: ich wollte backen und kochen und putzen und werkeln, aber eher weil ich was tun musste, damit die Anspannung im Rahmen blieb. Der Perfektionsanspruch kam immer mal um die Ecke, aber ich blieb locker.
Der innere Alarm ging zwar los, aber bei weitem nicht so stark wie früher.
Ich ließ die Wellen der Panik kommen und weiterziehen, atmete, blieb ruhig wenn mir danach war und aktiv wenn mir die Anspannung zuviel wurde. Ich unterschied zwischen Trigger-Aufregung und Vorfreude-Aufregung (ganz wichtig!) Ich redete mit mir, dass DIE (dieser Verwandtschaftsteil) anders sind. Überhaupt Kommunikation ist wichtig, zum inneren Kind sprechen, in Schutz nehmen, aber auch zeigen, dass es was schönes wird und ICH für Sicherheit sorge.
Mir selber den Druck rausnehmen: wenn ich halt vor Aufregung nicht essen kann, esse ich halt nicht, was solls. Eine Tavor gönnte ich mir aber doch, einfach um die Spirale abzubremsen.
Warum geht überhaupt Alarm los? Warum hast Du so einen Streß beim Thema Familie?
Bei uns (damit meine ich meine Eltern und Schwester) glich Familienbesuch immer einem Staatsakt: alles musste perfekt geputzt sein, das beste und teuerste Essen aufgekocht und man selbst mega gestylt, super frisiert und top gekleidet sein.
Das ganze Klima war vergiftet, ständig wurde immer irgendwer auf seine Fehler/Macken aufmerksam gemacht, „gewitztelt“ (es war nicht lustig, es war demütigend und hatte man das angesprochen war man erst recht die Angriffsscheibe für den nächsten Pfeil). Sarkasmus, Ironie, Zynismus, lästern über andere war an der Tagesordnung. Ständig schossen verbale Spitzen kreuz und quer. Sich entschuldigen oder sonstiges: ich doch nicht! Ich bin der beste!
Ich hatte mir mal beim Augenbrauen zupfen ein Stück Haut eingeklemmt, die Stelle war dann halt rot, ein stecknadelgroßer Punkt, meine Schwester gleich total abschätzig: was hast denn DAAA wieder gemacht? Augenverdreh klar ihr wäre sowas natürlich nie passiert. Wie schäbig muss man sein, wenn man nur auf andere herum hackt…
Man war nie gut genug!
Nun ich war in der Hackordnung ganz unten. Das jüngste Kind. Und ich hab schnell kapiert was da ablief, mich angepasst und später sehr rebelliert und ausgesprochen was jeder immer verschwieg (wir haben Gefühle, Mutter trinkt usw.) und dann machte ich was ganz dreistes: ich lebte mein Leben! Ich ließ mich immer weniger beeinflußen und manipulieren
Über eigene Gefühle und Befindlichkeiten zu sprechen: undenkbar! Sich öffnen hieß ja sich erst recht angreifbar machen. So verschanzte sich jeder hinter einer Mauer, eine wirkliche Begegnung war nicht möglich. Alles war kalt. Jeder spielte seine Maske, schön geschützt.
Jeder versuchte immer perfekt zu sein. Das ist immenser Streß! Den Angriffen auszuweichen. Klar Worte treffen genauso hart wie ein Fausthieb. Psychische Gewalt hinterlässt dieselben Spuren im Gehirn wie Folter! Inzwischen wissenschaftlich nachgewiesen.
Früher wunderte ich mich wenn ich nach einem bestimmten Menschenkontakt danach völlig aufgelöst, verwirrt oder sonstiges war. Einfach neben der Spur. Bis ich lernte was ein Trigger ist! Meistens fand ich diese Menschen die mich antriggerten super! Warum? 1. war mir deren Verhalten sehr bekannt. Und 2. wenn viel Adrenalin ausgeschüttet wird, findet man den anderen attraktiver (in Gefahrensituationen verlieben sich Menschen angeblich schneller ineinader, ich weiß nicht ob das stimmt. Inzwischen ergreife ich schnellstmöglich die Flucht. Ich will mit diesen eitlen, hartherzigen, abwertenden Menschen nichts mehr zu tun haben. Natürlich handle und denke ich manchmal auch noch so, ich glaube das tut jeder mal. Es kommt auf die Menge an und auf das Bewußtsein. Dass man merkt: oha da bin ich aber wieder narzisstisch unterwegs. Ich nenn das: übriggeblieben Fusseln aus dem alten System.
Es geht mir sehr viel besser seit ich diesen niederträchtigen Teil der Familie hinter mir gelassen habe (das Buch: Die Masken der Niedertracht hat mir die Augen geöffnet!).
Und wenn ich nur einen Freund habe, dieser aber ein Herzensmensch, dann ist der mir 10.000 mal lieber als so Egomanen.
Der andere Teil der Familie ist viel liebevoller, fürsorglicher, denen könntest auch ein Butterbrot und Kräutertee hinstellen, das wäre ihnen egal, denn es geht ihnen nicht um das ach so tolle Äußere und Egogehabe, sondern um das Zusammensein mit Menschen die man mag. Mit denen man reden, sich austauschen, lachen, schweigen und spazierengehen will. Man sich gegenseitig hilft, lobt und unterstützt. Es wird achtsam miteinander umgegangen, keine Witzchen, kein Getuschel. Offene, ehrliche Kommunikation! Ich finde das sehr berührend. Und heilsam.
Aber der alte Alarm ging los: Vorsicht! Familie! Nähe! Ich hatte damit jetzt gut 2 Tage zu tun.
Ja und wie wars dann? Im großen und ganzen gut. Ich war mit meinem gemachten Essen sehr zufrieden! (obwohl ich kurz vom Essen noch einen Zitteranfall bekam). Mit dem Kleinkind konnte ich auch etwas spielen. Aber gleichzeitig meine Aufmerksamkeit auf 3 Leute zu verteilen, reden, essen, schauen hat jeder noch was zu trinken, wo gehen wir spazieren, langweilen die sich gerade, was könnte man noch machen usw. hat mich etwas überfordert, so dass ich wohl sehr still war. Und in meinem Kopf tobte es. Nunja.
Alles neu, ich denke auch da kommt die Übung mit der Zeit.
Was auch gut war, wir hatten mal keine schweren Themen. Schonmal kurz Trauer um Opa oder Schwierigkeiten mit meinem Neffen, aber nicht so dass ich völlig abdriftete oder so.
Trotzdem bin ich jetzt auch ziemlich fertig und irgendwie in gedrückter Stimmung. Das ist jetzt so, nichts schlimmes.
Die Verarbeitung wird noch eine Zeit andauern. Das kenn ich schon.
Familienkontakt halt….