Mein kleines Leben

Was hab ich früher Leute verachtet die so beschränkt lebten: immer dasselbe, ein Job, Campingurlaub, seit Schulzeiten dieselben Freunde, vielleicht ein Haus abzahlen.

Ich wollte immer das Besondere, actionreich, immer Neues, auffallen, nicht der Masse folgend. Mein Narzissmus halt.

Heute bin ich froh, wenn ich Momente habe ohne Angst und ohne Aufregung. Denn beides hatte ich viel zuviel in meinem Leben. Ich ziehe mich zurück. Ruhe in Frieden. Wieso steht das nur auf dem Grabstein? Ruhe und Frieden im lebendigen Leben zu finden, das ist die Kunst. Zumindest für mich.

Vielleicht ist es auch eine Art aufzugeben. Egal. Ich genieße viele Kleinigkeiten. Meinen Balkon, genug Geld zu haben, wenn ich mir neue Bücher kaufe, wenn ich Dinge machen, essen und trinken kann auf die ich jetzt Lust habe, wenn ich mich von einem Film berieseln lassen kann. Wenn ich gut bei mir bin. Endlich. Scheint‘s das ich das nun mit 40 immer öfter haben kann. Und ich genieße es sehr.

Von daher denke ich auch immer öfter: Hauptsache ich. Hauptsache ich hab genug. Hauptsache ich bekomme jenes. Hauptsache ich kann noch Ausflüge mit der Bahn machen. Hauptsache ich bin gesund. Ich lebe jetzt so wie es mir passt. Lesend, wandernd, gut essend, abundzu saufend. Nicht immer 100% gesund lebend.

Das lässt mich zwar jetzt nicht in einem schmeichelhaften Licht erscheinen, aber für mich ist es ein Fortschritt. Denn das ganze Leben waren die Anderen wichtiger: Was wollen die? Was brauchen die? Wie muss ich sein, damit es denen passt? Vorauseilender Gehorsam war mein 2.Name!

Letztens habe ja das Letscho eingekocht und ich dachte so darüber nach, wem ich ein Glas davon schenken könnte. Es wurden aber eh nur 2 Gläser und den Rest verputzte ich gleich. Dann stellte ich mir vor, wie es wäre wenn ich keines verschenken würde und beide Gläser selber genießen würde (weil es ist echt saulecker geworden) und das fühlte sich so innerlich jubilierend und sprudelnd und richtig an, das klar war: ich behalte alles selber!

Vielleicht bin ich auch einfach auf dem Weg eine verrückte alte Frau zu werden. Dann ist das so. Alles hat seine Geschichte, seine Hintergründe und auch seinen Sinn! Wie schnell urteilt man über andere. Kleines Beispiel: letztens noch habe ich die Leute verlacht, die auf offener Straße weit und breit kein Mensch, aber mit Maske gehen. Dann ist es mir selber passiert, schlicht aus dem Grund, dass ich sie tatsächlich vergessen hatte, weil mich anderes gedanklich mehr beschäftigte. Nach dem Einkauf bin ich eh immer verschwurbelt.

Was mir noch auffällt, dass ich mich immer weniger an veränderte Situationen anpassen kann. Ich komme sofort in Hochstress. Zum Beispiel habe ich an meiner Arbeitsstelle gesehen, dass mein alter Platz zum bügeln nun verstellt ist. Ich musste mir also einen neuen suchen, wo ich Platz und ein gutes Licht und Ablagemöglichkeit habe. Das hat mich ziemlich ausm Konzept gebracht.

Vielleicht aber hat sich meine PTBS noch ein Stück mehr verfestigt und verschlechtert, was auch immer. Was nach gut 4 Jahren in der Se+arbeit auch nicht verwunderlich wäre.

Nunja, so genieße ich halt weiterhin meine Kleinigkeiten, ein gutes Essen, ein Glas Wein, hinlegen wenn mir danach ist u.v.m. nach Jahren im gefühlten Kriegszustand mit mir und der Welt ist das jetzt vielleicht auch einfach dran. Ich fühle mich so alt und müde wie sich eben so mancher Rentner auch fühlt. Und da ist es egal, dass ich in den Augen so mancher noch jung bin. Aber eben auch Rente beziehe, wenn auch keine Altersrente, sondern eben eine Erwerbsunfähigkeitsrente.

Mit Recht, wie mir erst so nach und nach immer klarer wird. Selbst nach 8 Jahren Bezug.

4 Kommentare zu „Mein kleines Leben“

  1. Das klingt unglaublich positiv und wichtig! Ich freue mich für Dich, dass Du das schaffst und so annehmen kannst; erstmal zumindest.

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      1. Vielleicht ist das das, was sich noch ändern muss, vielleicht kommt das davor – Ich würde es mir für Dich wünschen!

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