Ich bin einen hohen Adrenalinpegel gewöhnt.
Ab meinem 12. Lebensjahr war Trubel angesagt. Damals Scheidung, neuer Stiefvater, mit dem zusammengezogen, neue Schule – dort Extremmobbing, neuer Ort, keine Freunde, kein Vater. Mutter Alkoholikerin, neuer Stiefvater natürlich auch, Vater kann dank fetter Angststörung seit 15 Jahren nicht mehr arbeiten und hat manipulative Techniken drauf, so dass man macht was er will. Man selbst als Person zählt nicht.
Mit 16 nach München zum damaligen Freund gezogen. Dem totalen Psychopathen. Der hatte leichtes Spiel mit mir, ich war ja schon gut vorgeschädigt.
Knapp ein Jahr später heimliche Flucht aus der Wohnung. Das war unfassbar krass. Danach Personenschutz durch einen Bekannten, der eben die richtige Ausbildung/Ausrüstung dafür hatte. Warum? Ein Psychopath lässt nicht so schnell los. Monatelanges Stalking.
Mit 18: Einzug in WG, wieder mehr Leichtigkeit, mit Partys undso. Ausbildung abgeschlossen, Führerschein gemacht. Erste richtige Beziehung samt Heiratsantrag (von ihm, ich schwieg). Läuft.
Ab 19: Erste eigene Wohnung, Alleine! Ein Traum! Keiner redet mir mehr rein, keiner bestimmt über mich. Guter Arbeitsplatz bei der Stadt München. Beziehung geht in die Brüche. Dann komme ich ins trudeln. Kein Überblick über Finanzen, Schulden, vermisse T (große Liebe), wechsle Arbeitsstelle innerhalb des Arbeitgebers. Lerne B.kKennen, total kaputter Typ, Drogen und so. Das Ende vom Lied: wir wollen uns gemeinsam das Leben nehmen. Fahren nach Italien usw. alles geht schief, ich will sofort nach Hause, dort beim Doc wird B. In die Psychatrie eingeliefert, ich fahre zu meinem Vater (auch denkbar ungünstig, aber damals war er noch mein Held).
Ab 21: Hocke das erste Mal beim Psychiater, Diagnose: ordentliche Depression. Ab da wechselte ich Wohnungen, Jobs und Männer wild durch. Ich dachte ich muss im außen endlich nur das richtige finden, damit es mir besser geht. Wirds nicht.
Supergau mit 26: Die Wohnung wird mir wegen Mietschulden geräumt. Ich mache „das Beste“ draus und tingle mit einem fast fremden Mann halb durch Europa. Er hat ein gutes Herz. Ein feiner Kerl.Tolle Zeit.
Wieder in Deutschland kratze ich noch einmal mein Programm Funktioniere! zusammen, suche mir einen Job und mit dem Verdienstnachweis finde ich auch endlich wieder eine eigene Wohnung. Möchte endlich mein Leben hinkriegen, mich gut fühlen und schuldenfrei werden. Gehe in eine psychosomatische Klinik. Arbeite ab da meine Vergangenheit auf.
Komme aus der Abspaltung heraus, lese viele Bücher über Selbstwertgefühl, Depression, Lebenshilfe allgemein.
Gehe in Selbsthilfegruppen für erwachsene Kinder von Alkoholikern, immer wieder sehr aufwühlend. Lerne dort zwei Frauen kennen, die auch stark uner Ängsten und Depressionen leiden, die eine bringt mich auf das Thema Narzissmus. Und ich erkenne, dass mein Vater nicht so heilig ist, für den ich ihn immer hielt.
In mir bricht vieles zusammen. Im außen macht das Arbeitsamt Stress. Ich bin immer wieder sehr aufgewühlt und „getriggert“, damals wußte ich aber nix von Trauma.
Ich funktioniere noch einmal, weil man ja arbeiten muss und finde eine Stelle als Fahrerin für behinderte Kinder. Leider ist die Chefin (Subunternehmerin) eine saublöde Kuh und zahlt nicht. Ich verweigere daraufhin meine Arbeit. Und werde gekündigt. Die Oberchefin ist aber sehr zufrieden mit mir und stellt mir direkt bei sich ein: Ich fahre an Schultagen 400 km täglich. Die Hälfte davon mit bis zu 5 Kids hinten drin, wovon einer regelmäßig völlig ausrastet, sich abschnallt usw. Nach einem Jahr (mit 29) erleide ich einen Nervenzusammenbruch zuhause. Kann nicht mehr schlafen und essen, hatte auf der Autobahn akustische Halluzinationen und das Gefühl ohnmächtig zu werden, wog bei 183cm Körpergröße nur noch 58kg.
Nun ging nix mehr mit funktionieren. Nach 1,5 Jahren wurde mir die EU-Rente bewilligt. Einige Zeit später kam ich in eine Trauma-Tagesklinik, da ich aufgrund der vielen Ängste kaum mehr außer Haus kam. Ich geriet an eine sehr kompetente Trauma-Therapeutin, die das erste Mal: Komplexe PTBS aussprach. Ich setzte mich damit auseinander, verstand mich mehr und mehr. Nur das Muster: funktioniere! scheint noch des öfteren durch.
Ich lese noch mehr über psychische Gewalt und narzisstischen Mißbrauch. Mir gehen ganze Kronleuchter auf. Also: Kein Täterkontakt.
Mit der Klinik im Hintergrund schaffte ich es auch endlich zu meinem Vater den Kontakt abzubrechen. Zu meiner Mutter hatte ich schon einige Jahre davor nichts mehr zu tun, ebensowenig mit meiner Schwester die eiskalte, sadistische Tendenzen hatte und mich immer wieder zurück warfen.
Mit 32 schaffte ich das rauchen aufzuhören, wieder mit dem Sport anzufangen und mich endlich um mich selbst zu kümmern.
Ruhe kehrte ein…und genau die ertrug ich nicht und machte mich auf die Suche nach einem Mann. Leider stand ich immer noch auf die mit demselben toxischen Verhalten wie meine Familie sie hatte und „durfte“ nochmal ein paar Erinnerungen daran auffrischen. Blöderweise landete ich auf einer Datingseite auf der Männer Geld boten. Und aus lauter Abenteuerlust, Einsamkeit und Langeweile traf ich mich also gegen Geld. Sexarbeit also, so sah ich das natürlich nicht, ich machte ja alles freiwillig. haha
Es ging im seltensten Fall um den klassischen Sex, sondern um „Spielereien“ drum herum. Oder eben Fetische. Mein Ego war riesig. Ich fühlte mich endlich als wer. Und ich war gefordert: Die Männer aussuchen, Mails schreiben, schauen ob das passt, Termine ausmachen, treffen, schauspielern, lügen (auch privat, wenn ich unterwegs jemand traf und der mich fragte wo ich hingehe…?), Körperpflege usw. Ich war in der altbekannten Adrenalinspirale wieder drin. Nicht fühlen – funktionieren. Natürlich ging das nicht gut. Der Ausstieg mühsam, weil die Einsamkeit und die Langeweile schon warteten.
2019 kam der Bescheid, die EU-Rente wird dauerhaft bis zur Altersrente bewilligt.
Es gibt keine Action mehr. Weder in der Wohnungssache, noch im Job, noch mit irgendwelchen Männern oder schrägen „Hobbys“. Rauchfrei, fast schuldenfrei…was kommt noch?
Ich kann Strafgefangene verstehen die mit der Freiheit nicht zurecht kommen und wieder was tun wofür sie wieder eingesperrt werden: Das kennen sie.
Ich muss diese Ruhe nun selber füllen, mit gesunden, weniger schädlichen Dingen.
Das Problem: Mein Körper braucht viel Ruhe, da merke ich einfach das ausgelaugt sein. Mein Kopf aber, der ist frisch und will was tun, was erleben, hinaus ins Leben, du bist noch jung! Und so knirscht das Getriebe…
Vor wenigen Tagen traf ich zufällig L. im Supermarkt. Sie half mir damals in der Angst-Selbsthilfegruppe sehr und ich mochte sie immer. Vor wenigen Jahren starb ihr Mann recht unerwartet an Krebs, daraufhin kümmerte sie sich viel um ihre Enkelskinder, die damals noch sehr klein waren. Sie war immer im Streß, immer was zu tun, nur ja keine Ruhe und den Schmerz fühlen….jetzt sagte sie mir, dass ihr Sohn auch Krebs hätte. Ähnlich aggressiv wie beim Vater. Schon überall Metastasen. Er ist nur wenige Jahre älter als ich. Und ganz ehrlich, beim Heim gehen dachte ich schon: Es trifft echt immer die falschen…
Oh, was für Achterbahnfahrten! Ich bin früher auch Jahre auf der Überholspur gefahren, bis mich der Körper mit einem Pankreastumor auf den Randstreifen fuhr. Überlebenschance 1 %. Ich/wir haben es geschafft und alle Ärzte haben nur den Kopf geschüttelt. Die erzwungene Ruhe war unsere Rettung, denn plötzlich schätzten wir, wenn es nur eine einzige gute Sache am Tag gab.
Habt keine Angst, hört in die Stille und es tuen sich neue Räume auf. Viel Mut!
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Wow, da könnt ihr aber auch 2x Geburtstag feiern! Super! 😉
Ja ich bin froh, dass ich eh nicht so der Außentyp bin und mir auch Kleinigkeiten gut tun und ich mich meistens gut zu beschäftigen weiß. Aber diese Löcher: wozu leb ich denn da, tauchen doch derzeit zu oft auf.
Morgen ist Thera, mal sehen was der so dazu einfällt 😉
Liebe Grüße
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