Wenn Frauen zu sehr leiden

Nein, ich habe mich nicht verschrieben, aber es hat schon was mit dem Buch „wenn Frauen zu sehr lieben“ zu tun.
Wenn eine Beziehung, eine Freundschaft, ein Miteinander mit einem bestimmten Menschen nicht klappt, haben natürlich meistens beide ihren Teil dazu zu tragen. A. hat also, wie letztens schon geschrieben eine ziemliche passiv-aggressive Art drauf und ich eine kontrollierende. Das merke ich erst jetzt so. Ich habe nicht akzeptiert, dass er anders ist, anders denkt, anders fühlt, anders handelt als ich, sondern wollte ihn ändern, damit er so ist, wie ich bin. Wie ich ihn haben will.  Das ist natürlich extrem übergriffig und genau das Verhalten habe ich an meinem Vater gehasst. Wenn ich etwas tate und Spaß dabei hatte und er das nicht machte, machte er es mir madig oder lächerlich oder ignorierte mich und meinen Spaß vollends.


Ich habe A. sehr früh, sehr schnell vertraut (auch so ein gefährliches Verhalten von mir), das stellte ich gestern fest, als ich so unsere Emails ein wenig überflog.
Es war immer rein freundschaftlich, keine Erotik, keine Romantik, ein netter Kumpel. Ich weiß nicht wie es ihm da erging, zumindest machte er nie Annäherungsversuche. Was mir sehr recht war, weil er genau der Typ Kumpel war, den ich wollte: Man konnte ewig mit ihm über alles mögliche ratschen, aber auch schweigend in der Natur herumstreunern.
Er hatte aber etwas an sich, was mich in die Coabhänggkeit stürzte, ihn ändern lassen wollte und dann aggressiv werden ließ. Höchstwahrscheinlich spürte er das und verweigerte sich mir in passiv-aggressiver Haltung (er verstand mich nicht, er verstand mich falsch, er fasste ganz offensichtliche Dinge anders auf, er antwortete mir nicht auf Fragen, er schlief noch als ich zum ausgemachten Zeitpunkt klingelte usw.).
Und zwar hatte er eine gewisse Nachlässigkeit bis leichte Verwahrlosung an sich (Auto unfassbar dreckig, Wohnung auch aber nicht so schlimm, auch sehr alte Möbel und alles eher zweckmäßig als gemütlich eingerichtet, kaputte Sachen, nachlässig bis schmuddelige Kleidung, teilweise auch schluderig in Behörden-Dokumenten-ect-Sachen. Also alles sehr locker. Was mich peniblen, äußerst ordentlichen und gewissenhaften Menschen schier auf die Palme bringt. Aber er ist wohl nicht in allen Bereichen so, was ich so mitbekommen habe, macht er seine Arbeit sehr ordentlich. Und das ist ein wichtiger Punkt, denn wenn er überall so verantwortungslos und lotterhaft leben würde, würde ich mehr Verachtung spüren. Soweit geht dann mein Helfersyndrom auch wieder nicht.
Und das ganze gepaart mit wenig, dafür intensiver Aufmerksamkeit für mich. Danach hab ich natürlich gegiert.
Aber: geht es mich was an, wie er lebt? NEIN!
Hat er mich um Hilfe gebeten? NEIN!
Mache ich seine Problemen zu meinen? JA!

Spannend, und ich bin froh, dass ich mir dessen noch selber bewußt werde.

Mit D. war es das gleiche, nur viel krasser, weil das ganze schon sehr intensiv losging und es da eine (vermeintlich) romantische Seite gab und eine erotische, weil er ein ehemaliger Freier ist. Doppelte Verstrickung sozusagen.
Bei D. hab ich sogar geputzt und gebügelt, obwohl er mich nicht darum bat. Und er hatte noch viel mehr als A. von meinem Vater. Auch D. lebte ähnlich nachlässig (obwohl er genug Geld verdiente, wohnte er in einer Bruchbude, in der es Winters nie wärmer als 15 Grad wurde! Also alles feucht, modrig, auch dreckig usw.) aber auch er war beruflich erfolgreich. Auch ihn wollte ich retten. Es war unfassbar schwer von ihm loszukommen, über Jahre ging es on/off. Wir haben uns beide sehr verletzt, immer wieder. Und als ich endlich seine Nummer löschte, glich das einem kalten Entzug (der er ja auch war nur auf seelischer Ebene) wollte ihm am liebsten sofort eine Postkarte schreiben und irgendwas faseln von: außerversehen Telefonbuch gelöscht, Handy abgestürzt…ect. das ist Sucht in Reinform.
Eigentlich sollte ich ihm tatsächlich eine Postkarte schreiben, aber mit einem anderen Text: Nämlich, dass er sich nicht mehr melden soll. Er tut das hin und wieder an Weihnachten und zu meinem Geburtstag. Und für mich geht erneut der Suchtdruck los: PLING! Ich will mehr Nachrichten von ihm! Können wir vielleicht nicht doch wieder wie in alten Zeiten mal wieder herrlich lange quatschen und ein Bier trinken? Vielleicht klappts ja doch, wenn ich nur xy tue und abc nicht mache usw…immer wieder neu wird die Wunde aufgerissen. immer wieder neu muss ich mich überwinden seine Nummer zu löschen.

Zurück zu meinem Vater: Als ich 11 Jahre alt war, ließen sich meine Eltern scheiden und mein Vater wurde ein (scheinbar) hilfloser, kraftloser, in sich zusammengesunkener Mann, der sich auch nicht um den Haushalt kümmerte und ich mich, wenn ich ihn besuchte, immer öfters vor dem schmierigen Waschbecken ekelte und am liebsten aus der ungemütlichen, ebenfalls modrigen Wohnung flüchten wollte. Mein Vater tat mir unfassbar leid. Wie ein Häufchen Elend saß er da. Kein Geld, seine Kinder weg, die Frau verlassen, welch Schmach. Keine Arbeit weil er aufgrund der Angststörung schon über 10 Jahre zuhause war, keine Stärke, kein Elan. Er strahlte keine Sicherheit aus, keine Souveränität. Und so übernahm ich das. Fühlte mich verantwortlich, wollte ihn aufmuntern, ihn nicht mit meinem eigenen Leid belasten (Papa ich werde in der Schule körperlich angegriffen, ich habe keine Freund mehr seit wir wegzogen sind, ich vermisse die Natur und dich und der Mama bin ich egal, die kennt nur ihren Alkohol und ihre Männer und mit meiner Schwester verbindet mich auch nichts mehr…) ich blieb stumm und spielte das pflegeleichte Kind und übernahm gleichzeitig die Elternrolle. Mein Vater tat nichts, um das zu ändern. Er genoss meine Zuwendung. Er benutzte mich emotional. Als ich heraus bekam, dass er mein Tagebuch gelesen hatte, war es mit meiner Zuwendung schnell vorbei. Nun hatte ich niemanden mehr. Außer meiner Verzweiflung. Und ab da machte ich mich auf die Suche nach anderen Männern und fand Kontaktanzeigen. Seitdem wiederhole ich das Schema, entweder sind es Männer die mich wieder so benutzen oder die ich retten will.

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