Erschreckend wie sehr mein Selbstwertgefühl am Boden klebt und da bleibt. Egal was passiert. Ich hab immer gute Arbeit abgeliefert, die meisten Arbeitgeber ließen mich ungern weiter ziehen und ich zog oft und viel weiter. Doch dieses „ich kann was“ „ich bin gut“ kommt irgendwie nie bei mir an. Das ist so traurig.
Ich traue mir weiterhin nichts zu. Heute wieder Aushilfsjob in einer Ferienwohnung. Einer sehr speziellen Ferienwohnung, einer sehr sehr großen (umgebaute Gastwirtschaft), mit über 15 Betten. Und da die originale Bar drin gelassen wurde, wird diese Unterkunft gerne von jungen Leuten gemietet die feiern wollen. Das Gebäude steht frei, man kann also auch ordentlich Lärm machen. Man weiß also nie so recht was einen erwartet, wenn man als Reinigungskraft da reingeht. Und obwohl ich schon viele Schwierigkeiten in meinem Leben gemanagt habe (meistens alleine), einen funktionierenden Kopf habe, weiß dass ich gut arbeite, die Wohnung schon kenne, der Chef immer erreichbar ist und weiterhilft, hätte ich auf dem Hinweg schon wieder fast nen Herzkasper bekommen, inkl. Panikschübe.
Der Chef war und ist immer höchst zufrieden: Du hast ein Auge für die Ecken, du denkst mit, du bist zuverlässig usw…all das hat er mir mehrmals gesagt und auch heute wieder ein Angebot für einen Minijob gemacht, weil er mich wertschätzt und gutes Personal braucht.
Und ich will mich nur vergraben. Bekomme ultra schlechtes Gewissen, weil ich wahrscheinlich ablehnen werde. Diese scheiß dicke Mauer um mich herum…
Bildlich gesprochen: wäre mein Selbstwert eine Wiese, dann wäre an diesem Platz erst alles totgetrampelt worden, dann geteert, dann drüber betoniert und gepflastert und irgendein Gebäude drauf gesetzt. Da kann nichts mehr wachsen.
Schrecklich ist das…ganz schrecklich…
und ich kann nicht mal ein Fünkchen stolz auf mich sein, dass ich das heute geschafft habe, sehr gut geschafft habe, trotz Angst, trotz Schienenersatzverkehr, ich hab aus dem Saustall wieder eine saubere Bude gemacht, ich hab 5 Stunden geackert, bei schwülen 28 Grad, ich wurde gelobt…und in mir ist trotzdem alles staubig, dunkel und tot
Ich wünsche dir, dass es auch diese anderen Momente gibt, wo du Stolz empfindest. Vielleicht in ganz anderen Bereichen. LG Sophie
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Danke für den Zuspruch❤️, der Stolz hält sich leider auch in anderen Bereichen eher mau.. LG
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„Eher mau“ klingt jedenfalls etwas anders, als die betonierte, bebaute Fläche von gar nichts. 🤗 Wahrscheinlich gibt es beides?
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Ja zubetoniert meinte ich auch eher im Arbeitsbereich bzw. generell mir was zutrauen, Herausforderungen angehen…
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Es steckt eine gewisse Ironie, etwas lustiges in deinem Text, auch wenn es sich sicher nicht lustig anfühlt. Da stellst du dir ein Eins-A-Arbeitszeugnis aus, um dann sofort hinterherzuschieben: das ist alles Lug und Betrug. Ich bin eine Lügnerin und täusche nur etwas vor. Aber das Erste überzeugt mich: du bist sicher eine hervorragende Reinigungskraft. Und dein Chef hat recht. Das zweite überzeugt mich nicht: für eine Betrügerin halte ich dich nicht. Deine Texte finde ich jedenfalls ehrlich, echt und direkt. Die Selbstwertthematik ist mir vertraut. Wenn die Grunderfahrung der Kindheit ist, dass man nichts ist und nichts kann, dann hat sich das Thema Selbstwert, meiner Erfahrung nach, für den Rest des Lebens so gut wie erledigt. Der Mangel bleibt. Kaum eine positive Erfahrung, die den Selbstwert stärkt, bleibt nachhaltig und dauernd im Inneren wirksam. Sie löst sich allmählich in Luft auf. Sie ist irgendwann nicht mehr emotional abrufbar. Die gute Erfahrung verkümmert zu einem fadenscheinigen Sachverhalt. Und jede Form der Anerkennung wird in den Zweifel gesetzt wie in eine Säure, wo sie sich auflöst und aus dem Gedächtnis verschwindet. Das ist sicher alles nur ein Spuk gewesen, den ich mir eingebildet habe. Das hat es alles nicht wirklich gegeben. Ich bilde mir das womöglich nur ein. Ich bin schließlich kein wertvoller Mensch. Ich habe bloß einen falschen Eindruck erweckt, weil ich ständig nach Anerkennung giere. Weil ich sie brauche und sie auch wieder verbrauche. Und der Selbstwert wird mit jeder neuen Herausforderung auf Null zurückgesetzt. Alles auf Anfang. Du packst Herausforderungen an, gehst putzen, schreibst darüber und darüber wie es dir damit geht. Das gefällt mir. Ich finde das wertvoll.
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Hmmm, ich weiß nicht wo und wie Du rausliest, dass ich meine eine Betrügerin zu sein, auch wenn ich das manchmal glaube, aber in einem anderen Kontext (siehe: Sozialschmarotzer, ich bin ja nur faul und hab alle angelogen, damit ich Rente bekomme usw…).
Schlimm finde ich ja, dass ich mir inzwischen „nur“ noch putzen gehen zutraue…wo ich weiß und auch schon in anderen Berufen bewiesen habe, dass ich eigentlich mehr aufm Kasten habe…aber da brettert wieder die Abwertungsspirale drüber..siehe Post.
Ansonsten: Danke für Deinen Kommentar, bin wieder mal erstaunt wie gut Du meines so treffend mit Deinen Worten zusammenfasst und ergänzt. Genau diese Instabilität is so ätzend…Nachhaltigkeit ist da nicht gegeben…
Tja nichts desto trotz: Nächsten Sonntag gehts weiter, ein weiterer Auftrag 😉 in derselben Wohnung.
Viele Grüße!
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