Wochenrückblick 27. August 2021


Es war eigentlich eine ruhige Woche, ich musste mich von dem vollen Wochenende echt lange erholen. Äußerlich war wenig los, dafür gings innerlich mal wieder rund.

– Meine Angststörung reibt sich schon freudig die Hände und meint ganz überheblich: 3G? Am Arsch! Bleib ich halt daheim, ich muss nirgends hin, ich will eh niemanden sehen oder irgendwie rausgehen. Ich fühle mich daheim sehr wohl.
Doch das ist nur die eine Seite, die andere ist ja gerne mal unterwegs um was zu erleben. Und ich merke auch, wenn ich mich länger zurückziehe, dass das wieder rausgehen schwierig wird. Auch nix neues. Letztes Wochenende konnte ich das sehr gut beobachten: Es ging wieder mehr unter Leute, ich musste mit dem Schienenersatzverkehr klarkommen und spürte dabei wieder das innere vibrieren, die Anspannung. Starke Nervosität, Herzrasen, Unsicherheit. Aber ich konnte mir da gut zureden: dass ich das alles kann, dass es halt jetzt ein wenig ungewohnt wieder ist. Dass ich nur ein wenig aus der Übung mit, also auf diese Angst von außen drauf schauen, nicht in der Identifikation bleiben. Vor allem die Gruppensituation bei der Nachtwächtertour war ein wenig stressig für mich, weil ich ständig dachte, die anderen beobachten mich und verurteilen mich oder denken ich bin ein Streber weil ich immer recht weit vorne mitgegangen bin. Da war mein Gesicht oft verkrampft, was mich wiederum stresste und ich da immer ein wenig gegensteuern musste. Da es draußen war und wir immer ein Stück liefen, erleichterte das Ganze. In einem geschlossen Raum sitzend wär es sehr unangenehm geworden für mich.
Meist ist das nur so 2-3 Tage (je nachdem wie lange ich davor einsiedlerisch gelebt habe) und ich komme wieder mehr in Übung, ich muss nicht mehr jede Handlung des Busfahrer argwöhnisch beäugen und mit dem Schienenersatzverkehr fahre ich nach 2 Tagen auch lässiger. Diese Ängste wieder zu überwinden, hebt auch das Selbstwertgefühl! Das tut gut!
Also: Zurückziehen hin und wieder okay, das kann ich auch genießen, aber die andere Seite das raus gehen sanft übend beibehalten. Kurz: Das Leben nicht verpassen!

– HÄ? Meine Pechsträhne reißt nicht ab, langsam darf echt wieder eine positivere Phase kommen. Hatte ja für Mitte September eine Ferienwohnung gebucht, um nach 2 Jahren mal wieder paar Tage rauszukommen. Die Vermieterin schien auch sehr nett und so war ich schon gespannt. Montag kam von ihr ne Mail, sie muss mir leider absagen, da sie die Wohnung nicht mehr vermieten darf, ich möge bei der Plattform doch bitte stornieren. Äh…warum ICH? SIE sagt mir doch ab. Habe mich geweigert und ihr geschrieben, dass das sich das negativ auf mich auswirken könne, wenn ich da zuoft storniere. Was zum Teil auch stimmt, aber mir kam das sehr dubios vor. Außerdem war nicht sicher ob ICH dann die Servicegebühr nicht trotzdem zahlen muss. Sie meinte natürlich NEIN, andere Gäste hätten soeben auch problemlos, kostenfrei stornieren können. Früher hätt ich das auf den Schlag geglaubt! Heute bin ich vorsichtiger: Sagen kann man viel. Ja sie müsse dann 50 USD zahlen und blaaa….ja nicht mein Problem. Sie willigte dann doch ein und tatsächlich: ICH bekam dann als kleine Enschädigung von der Plattform einen 20,- Gutschein. Tja gut dass ich auf mein Gefühl hörte und bei meinem NEIN blieb. Ach wer weiß wozu das gut war. Ich fand dann auch was neues…

– gesehen: Den Film:  Die Künstlerin und die Anorexie. Ein Dokumentarfilm über die Künstlerin Lene Marie die mit ihren eindrücklichen Fotos berühmt wurde. Ich sag nur: Extrem heftig!!!
Sie leidet seit 20 Jahren an Magersucht und das in einer extremen Form. Eine Besucherin ihrer Ausstellung meinte: „Dass man so überhaupt noch leben kann?“ Sie ist wahrlich nur noch Haut und Knochen, ihr Kiefer stark verformt weil sie nur noch Flüssignahrung zu sich nimmt, kam nie in die Pubertät, weil es im 10. Lebensjahr anfing, dass sie immer weniger aß. Keine Brüste, keine Periode. Sie sagt von sich selbst, sie wollte nie erwachsen werden. Jetzt hat sie einen ausgezehrten Kinderkörper mit einer hohen zerbrechlichen Stimme. Als sie ihren ausgemergelten Körper auch noch in einem kaputten Haus fotografiert, entstanden da so krasse Bilder, dass sie schon wieder gut sind. Mir wars zuviel. Dieses Elend, diesen Scherz und diese Traurigkeit so deutlich zu sehen…nach 33 Minuten Film saß ich schluchzend auf der Couch und nach weiteren 10 Minuten habe ich den Film gestoppt. Unbeschreiblich. Am nächsten Tag sah ich die restlichen Minuten, indem es dann um einen Suizidversuch ging und dass sie später an Herzversagen starb. Mit Anfang 30.
Magersucht ist die einzig psychische Erkrankung die ich nicht verstehe. Wie man dem Essen so ausweichen kann, so entsagen… ich weiß für die fühlt sich das nicht nach entsagen an. Ja, ich kann es nicht nachvollziehen. Was mich dieser Film aber gelehrt hat, dass Magersucht ein Symptom ist für ganz andere Schwierigkeiten. Sie will ja nicht so schlimm aussehen, sie hat Lust auf das Leben und kann trotzdem nicht essen.
Wahnsinn.

-Manchmal weiß ich nicht ob die Zeit als ich mich so gar nicht selbst spürte nicht besser war. Ich kann mit dieser Hilflosigkeit und Ohnmacht, dass manche Bedürfnisse ungestillt bleiben, sehr schlecht umgehen. Verdrängung funktioniert nicht mehr wirklich, nachdem ich jahrelang alles, aber auch wirklich alles aus den Tiefen meiner Seele hervorgekramt habe.
Heute: freier Tag. Bewußt eine Arbeit abgesagt. Nachdem mir schon morgends schon langweilig war und ich deswegen in den entfernteren Supermarkt lief, damit ich Zeit vertrödeln kann, dachte ich so: ach hättest ja doch arbeiten gehen können. Dann spürte ich genauer hin. Ne es ist nicht Langeweile, es ist mal wieder die Einsamkeit. Kotzkotz. Und das: ich bin es nicht wert, dass man mich anruft, einlädt, schreibt… lassen meine Ängste explodieren. Alles wird durchdacht damit auch ja nichts schief gehen kann, alle Eventualitäten berücksichtigt. Extreme Unsicherheit sobald ich meine Wohnung verlasse. Schrecklich.
Meine Cousine meinte warum ihre Mutter sich nicht mehr bei mir melde liegt am schlechten Zeitmanagement und dass sie viel arbeitet. Aha. Ich sage: nö. Für eine Whatsapp-Nachricht müßte in 3 Monaten doch mal Zeit sein und wenns nur eine: „Sorry, muss grad viel arbeiten, schönen Tag noch!“ ist. Nein die Zeichen stehen anders, nämlich genau die, die ich von meiner Mutter (also ihrer Schwester) kenne: Ignorieren, nicht beachten, Besuch unter fadenscheinigen Ausreden absagen,  Geburtstag vergessen, nur Probleme von sich seitenweise schreiben und wenn ich einmal ein wenig betüdelt werden will, weil mir grad alles um die Ohren fliegt (damals der Wasserschaden) kommt nur ein lapidares: schaffst du schon und als Geschenke die Sachen die sie nicht mehr braucht/haben will: Die Handtasche erinnert mich zu sehr an Opa, ich bekam ne neue Bettwäsche und hab alte aussortiert usw…
Abhaken. Scheiß Familie.
Ich weiß nicht wohin mit all dem Schmerz und der Einsamkeit. Wie überlebt man das?

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Kirsten Armbruster

Naturwissenschaftlerin - Patriarchatskritikerin - Denkerin - Publizistin - Mutter

Rapunzel´s Turm

(K)PTBS für Anfänger, Fortgeschrittene und Angehörige

TRAUMALEBEN

Leben mit Entwicklungstrauma / komplexer PTBS & Traumafolgestörungen

Al-Anon Blog

Deutschsprachige Beiträge und Informationen zu Al-Anon

minchen‘s blog 

über psychisch kranke Eltern

galgenzork

chronisch

Hanni hat Heimweh

Auf der Suche nach Ruhe und Sicherheit, aber leider nur stark im Auffinden von Chaos und Gespenstern.

Sick Girl

Depression

Herzensgrenze

Überleben als Introvertierte mit dem Wrong-Planet-Syndrom

Hochsensibel und Multipassioniert

Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann rufe nicht die Menschen zusammen, um Holz zu sammeln, Aufgaben zu verteilen und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem großen, weiten Meer. Antoine de Saint-Exupéry

Eine Art Tagebuch

Amat victoria curam

%d Bloggern gefällt das: