Ich bin sehr erschrocken darüber, was gestern passiert ist. Vor allem was massive Grenzverletzungen (die ich mir selber antat!) für Auswirkungen haben. Dieses innere zittern und beben, die exreme Anspannung. Erstarrter Fluchtreflex und gleichzeitig irgendwie im Überlebensmechanismus.
Normalerweise agiere ich in solch einem Zustand wie aufgedreht: ich schaue nur noch Filme (am besten welche die mich zusätzlich triggern), werde hibbelig, kaufe viel oder suche ewig im Netz nach dem richtigen (meist was ich eh nicht brauche) ich flitze von einem Eck ins andere.
Heute habe ich das nur ein bisschen. Eher sitze ich verdattert da und staune: so schlimm ist Grenzverletzung. Sooft habe ich mir das früher auch angetan (Übergriffe gab es natürlich en mass auch durch andere Menschen), aber es ist fast nochmal schlimmer, wenn man es sich selbst antut, auch wenn mir der Wirkmechanismus der Erstarrung klar ist und auch dass es ein gelerntes Verhalten ist, das mich früher schützte. Ich war die ruhige brave, damit nicht noch mehr Streß entsteht im Familiensystem. Von daher merke: ruhige Kinder sind nicht immer toll oder nur gut erzogen, nein manchmal ist es ein Totstellreflex oder die pure Resignation: wenn eh niemand kommt, wenn ich schreie, lass ich es halt.
Sooft bin ich über mich selbst gelatscht UND über die Nachwirkungen. Anstatt hinzuschauen, warum kann ich grad kaum atmen, verkrampft der ganze Bauch, warum hüpfe ich von einer Internetseite zur Nächsten usw. nach der Grenzverletzung ist vor der Abspaltung.
Was aber ist passiert?
Seit 2,5 Jahren kenne ich einen Mann mit dem ich gerne Körperlichkeit leben kann. Das ist für mich schon wie ein 5er im Lotto. Weil ich mich damit eben sehr schwer tue oder schlicht keine Körpernähe mag. Ihn aber fasse ich liebend gerne an, die Chemie passt einfach und ich bin gerne in seiner Nähe.
Nun haben wir uns über 6 Monate nicht mehr gesehen und dann brauche ich in der Regel erst wieder eine Zeit zum auftauen, zum warm werden. Meist brauch ich erst wieder ein Date nur mit Kaffe trinken und/oder spazieren gehen, bevor ich es genießen kann, wenn wir uns näher kommen.
Das gute bei ihm ist: er macht keinerlei Druck: ob wir uns nur zum Kaffe trinken treffen oder wild über uns herfallen: alles ist ok. Auch wenn ich mich leicht wegdrehe, weil ich noch nicht intim angefasst werden will, registriert er sofort und hält sich zurück.
Aber mein „vorauseilender Gehorsam“ wurde mir früher so perfekt eingedrückt, dass ich mein innerliches Stop gestern komplett überging, nur weil ER ins Schlafzimmer ging. Und nein er wendet keinerlei Psychospielchen an, die erkenne ich. Ich ging nicht bis zum Äußersten (immerhin) aber trotzdem war es mir viel zu schnell, viel zu nah. Mein Automatismus sprang an und ich tat wo ich dachte, das will er jetzt.
ER, nicht ICH.
Ich hätte ja auch in der Schlafzimmertür stehen bleiben können und sagen: „Äh du… das geht mir grad zu schnell, bleiben wir auf der Couch?“
Die Angst vor seiner Reaktion wenn ich Widerstand leiste ist immens. Nicht persönlich von seiner Reaktion direkt (wie gesagt er macht keinen Druck), aber es gab genug Männer in meinem Leben, die mich dann mit Nichtbeachtung bestraften und das wohlgemerkt in einer Situation in der sie mich vorher von allen Kontakten isolierten, so dass ich von diesem Mann der mich nun nicht mal mehr anschaute, abhängig war. Absolut desatrös für das Seelenheil, vor allem weil auch mein Vater das machte und ich noch sehr jung war. Natürlich versuchte ich daher, dass das nie mehr passierte. Also tat ich alles was er wollte (ja wir fahren jeden Sonntag zu deiner Oma, ja ich besuche dich, ja ich rauche mit, obwohl ich es hasste im Schlafzimmer zu rauchen, ja ich hol Dich vom Bahnhof ab, ja ich liebe dich auch *kotzwürg…usw).
Wahnsinn.
Bei mir sein und zu spüren was ich grad will und was nicht ist das eine, dass in vielen kleinen Schritten gelernt werden muss (vor allem bei Menschen die von nahen Bezugspersonen über einen längeren Zeitraum mißbraucht wurden, in deren Psyche so herumgefuhrwerkt wurde, dass sie da oft nur noch einen Scherbenhaufen haben!)
UND dass dann auch noch nach außen zu kommunizieren, wäre dann quasi die Goldmedaille bei Olympia.
Es tut mir leid, dass ich gestern so mit mir umgegangen bin. Ich war den Abend in einem tranceähnlichen Zustand und fiel um kurz nach 20 Uhr total kaputt ins Bett.
Ich vergebe mir und versuche den Schaden zu heilen und fürsorglich mit mir umzugehen