Ich habe sehr lange gehadert, dass ich kein richtiges Leben führe. So ohne Vollzeitjob, keine Kinder, keinen Ehemann noch nichtmal eine Beziehung, selbst Zimmerpflanzen gehen bei mir ein. Ich habe weder eine Immobilie gebaut noch gekauft, ich habe kein Auto, kein Motorrad, kein Schiff und kein Pferd. Gar kein Haustier. Früher, ohne Internetflat, wurde ich argwöhnisch beäugt: wie du hast keinen Fernseher??? Als ob ich ohne Strom und Wasser in einer zusammengeschusterten Waldhütte hausen würde.
Ich gebe keine Partys und gehe auf keine.
Ich habe mich viel geschämt. Viel abgewertet und schuldig gefühlt. Dass ich das nicht schaffe. Bin wohl zu dumm, zu faul, zu krank dafür.
Ich habe das Wochenende mit einer früheren Freundin telefoniert. Wir lagen schon zusammen auf dem Wickeltisch. Natürlich fragt man: Was macht Flori? Und der Peter? Deine Eltern? Natürlich geht es denen alle gut. Sie bauen Häuser, ganze Bauernhöfe, haben Kinder 2,3,4, natürlich Jobs oder eigene Geschäfte. Keiner ist krank oder gehe gar in Therapie. Wir kommen vom Land da geht man nicht in Therapie, da sauft man sich zu, wenn es sein muss jedes Wochenende oder jeden Abend. Gesellschaftlich akzeptiert. Nur das zählt! Erst fast zum Schluß erfahre ich dann doch noch, dass ihr Mann derzeit arbeitsSUCHEND ist. Aha. Ein winzig kleiner Riß in der Fassade.
Ich habe es aufgegeben nach diesem Leben so streben, weil es nicht zu mir passt. Die Giraffe kann auch nicht so gut wie ein Pinguin schwimmen.
Und dann lese ich in dem ganz wunderbaren, liebenswerten Büchlein: Mein hungriges Herz, von Ben. Und Ben erzählt:“ Ich bin normal. In meinem Leben gibt es keinen Sex, wie es bei manchen keine Literatur oder keine Musik gibt. Diese Leute leben auch wie wir. Sie schätzen andere Dinge, kennen andere Freuden. Ihnen fehlt nichts.“ Alter Schwede, da musste ich erst mal das Buch zur Seite legen. Genau das ist es! In manchen Leben gibt es keinen Sport, kein Hallenbad, keine Massage, kein Tatoo, kein Flohmarkt, kein Kino, kein Fußball, keine eigenen Kinder, keine Heirat, keine Schulden, keine Kerzen, kein Fleisch, kein Rätselheft, keine Malstifte, keinen Schmuck,keine Salzlampe….und wer sagt dass das richtig oder falsch ist?
Es gibt von Adorno den bekannten Ausspruch: es gibt kein richtiges Leben im falschen
http://philomag.de/adorno-und-das-falsche-leben/
Ich hatte einen interessanten Termin, mehr dazu morgenn. Und danach hatte ich eine Frage im Kopf: Was wenn mein Leben so wie es ist GUT ist? Für mich richtig. Wie gesagt, seit sehr vielen Jahren laboriere ich an mir herum. Verändere, mache, tue, hier eine Therapie, da ein Selbsthilfebuch, dort eine Selbsthilfegruppe. Was aber wenn ich zufrieden bin, so es derzeit ist? Ja auch mit psychischer Krankheit und Erwerbsunfähigkeitsrente? Ich spüre das erste Mal Frieden. Frieden mit mir und meinem Leben. Alles ist gut. Kein Krieg mehr im Außen und Innen. Keine großen Dramen. Dafür Regelmäßigkeit, Sport, Finanzen im Griff, kein Mißbrauch, keine Gewalt.
Was, wenn ales gut so ist, wie es ist….