Eigene Entscheidungen

Täglich den Spruch des Tages von der CODA-Seite zu lesen, tut mir gut und hält mir meine alten Muster vor Augen, so dass ich besser auf mich aufpasse und nicht in die coabhängigen Verhaltensweisen rutsche. Oder schneller diese wieder lassen kann.

Der heutige lautet:

Nun, da ich von Co-Abhängigkeit genese, treffe ich Entscheidungen für mein Leben danach, was für mich richtig ist, nicht danach, was ich nach Meinung anderer tun sollte. Ich weiß, was meine Werte sind. Ich entscheide, wie ich meine Zeit verbringen möchte und lebe nach diesen Werten. Ich habe klar definierte Ziele. Ich bin erwachsen und in der Lage, für mich zu sorgen und meine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Durch meine bewussten Entscheidungen komme ich meinen Zielen und der Erfüllung meines Lebens näher.

Ich bin coabhängig!


Wenn ich mich verrückt fühle, ist irgendwas verrücktes in meinem Leben.
Passend dazu kam ich gestern beim „verrückten Eismacher“ einer Eisdiele vorbei.
Gestern löste sich nochmal ein großer Knoten. Gestern abend dämmerte es mir: ich stecke mal wieder voll in der Coabhängigkeit drin und statt wie sonst gegen 21h ins Bett zu fallen und fast sofort einzuschlafen, saß ich hellwach da und las in dem Buch: Unabhängig sein von Melody Beattie.

Wie schon vor einem 3/4 Jahr hat es was mit J. zu tun. J. hat eine gewisse „Bedien-mich-mentalität“, so lernten wir uns ja auch kennen: ich noch in der „Sexarbeit“ er der Kunde der seinen Fetisch ausleben wollte, so in Richtung Domina-devoter Typ, nur viel weicher. Und irgendwie ist er da hängen geblieben: ich werds schon machen, er kann sich zurücklehnen und sich gut fühlen.
Außerdem hat er was kindisches, unreifes und verantwortungsloses an sich und trinkt jeden Tag Alkohol.
Er meidet wirkliche Nähe. Wir schreiben uns zwar jeden Abend, aber sehr oberflächlich, auch die Treffen laufen fast immer nach dem gleichen Schema ab und emotionales ist fast nie Thema, außerdem geht die Initiaive ob/wann und wo meistens von mir aus.  Das werde ich ab sofort wieder lassen!

Wahrscheinlich hänge ich da schon wieder seit Monaten fest. Er saugt Energie und ich lasse es zu und weil ich nichts von ihm bekomme, ist mein Fokus voll auf ihn gerichtet damit ich ja nichts übersehe WENN mal was von ihm kommt. Außerdem behandel ich ihn übervorsichtig, sage nicht was ich manchmal wirklich denke und fühle (es könnte ihn ja verletzen, er könnte sich von mir abwenden!), sondern übernehme Verantwortung für seine Gefühle oder wenn er mal nicht weiter weiß (welches Gleis, welche Straße, was er im TV schauen soll, wie er richtig kocht usw). Ich hebe ihn auf einen Sockel, bin immer erreichbar, immer nett, immer zugewandt, immer interessant, in der Hofung, dass ich vielleicht auch mal emotional auftanken kann, was von IHM bekomme. Da ist aber nicht. NICHTS!
Das habe ich in meiner Familie so gelernt. Ich tat alles für ein wenig Aufmerksamkeit. Von Zuwendung, Liebe, ehrliches Interesse für meine Bedürfnisse, Gefühle, Gedanken und Unterstützung will ich gar nicht reden.

Das ganze mit J. bekam einen Riss, als es ihm diese Woche sehr schlecht ging, auch wegen Ärger in der Firma (was ich mir gut vorstellen kann, wenn er da auch keine Verantwortung übernimmt, werden seine Kollegen nicht sehr begeistert sein). Ich stand ihm bei und bot meine Hilfe an, außerdem wollte ich ihm eine Postkarte schicken die ich letztens fand, mit einem Motiv das sehr gut zu ihm passt und wo ich mir dachte, das gefällt hm bestimmt, das macht ihm eine kleine Freude. Als kleine Aufmunterung. Aber da merkte ich schon eine Sperre in mir ein: nein ich will das nicht tun. Ich hörte drauf und ließ es bleiben. Gut so!
J. half sich selber, er buchte kurzerhand einen Mniurlaub und fuhr weg und ich? Merkte eine Wut in mir. Hm? Was los? Neidisch?  weil ich nicht einfach mal so mein E-Bike, auf meinen neuen Audi schnallen kann (weil ich bedes nicht habe) und  in einem 4-Sterne-Hotel auf dem Land einchecke? NEIN, weil er sich um sich kümmerte, OHNE mich. Meine Sucht gebraucht zu werden verpuffte ins Leere. Ich fühlte mich vor den Kopf gestoßen, nutzlos, wertlos. Boah!

Wenige Tage später kam ich mal wieder an einen Tiefpunkt: voller Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, gequält von Suizidgedanken (weil mich braucht ja eh niemand usw.), die ich ja eigentlich gar nicht will und auch keine Erleichterung bringen. Nun wandte ich mich an ihn. Sprach offen an, wie beschissen es mir gehe. Es kamen 2 billige Sätze voller Phrasen via Whatsapp zurück. Als ich darauf antwortete, kam: nichts mehr. Waaahhh bloß nix mit Gefühlen! Und da dämmerte es mir.

Natürlich könnte ich jetzt schimpfen wie unreif er ist usw. nur das hilft mir nix. Denn das erste was man in 12-Schritten-Guppen erfährt: Du kannst den anderen nicht kontrollieren und nicht ändern! Schade auch, das wär nämlich einfacher jetzt ihm die ganze Schuld zu geben 🙂 Aber ich muss mich an die eigene Nase fassen!
Fakt ist: ICH bin zusehr verstrickt. Ich denke sooft an ihn und verliere meinen Fokus auf mein Leben und damit auch Energie. Denn diese folgt der Aufmerksamkeit! Kein Wunder, dass ich mich leer fühle und alles sinnlos erscheint.

Die Katzenbetreuung war natürlich DIE Coabhängigkeit schlechthin, danke Körper dass du dich so massiv gemeldet hast. Leider habe ich nicht richtig verstanden was genau los ist nur dass es „zuviel“ ist.
Auch bei  der Tafel gibt es derzeit einen Mann, auf den ich schon wieder „anspringe“ nicht im Sinne von verliebt sein, sondern von „für ihn sorgen“, mich zuständig fühlen, überlegen was ich ihm gutes tun könnte. Vor Jahren ist er aus dem nahen Osten geflüchtet, erst nach Kanada nun eben Deutschland, medikamentenüchtig (Opiate!) und Kiffer, wohnt in einer ehemaligen Arbunterkunft die mehr als schlimm ist (alt, abgenutzt, ect.) er selber ist auch verlottert mit uralter Kleidung, fährt oft mit der Bahn schwarz, wird oft erwischt steht kurz vor einer Gefängnisstrafe weil er das natürlich nicht bezahlen kann, evtl. auch spielsüchtig weil er erzählte dass es hier im Ort ja kein Wettspielcafe gibt. Angeblich hat er Frau und Kinder die irgendwo leben. Er erzählt auch oft von kruden wirren Geschichten halb auf englisch wo ich oft nichts verstehe außer dass es um irgendwelche Verschwörungstheorien in den sozialen Medien geht. Aber er hat eben auch was lustiges, heiteres und warmes und das ist genau die Mischung auf die ich anspringe. Vorsicht also, ganz große Vorsicht!

Als ich da so gestern über all das nachdachte, das Buch wieder rauskramte spürte ich wie Freude und Energie mich dufluteten! Ich war wieder im Jahre 2022 angekommen und sah (wortwörtlich!) nicht mehr durch die Augen eines Kindes, das versucht endlich irgendeinen warmen Blick oder eine liebevolle Geste von ihrer alkoholsüchtigen Mutter zu bekommen oder mal wirklich gefühlt und gesehen wird vom coabhängigen, narzzstischen Vater. Alle meine Bemühungen liefen ins Leere. Keiner der beiden war da. Und so suche ich mir heute noch Leute die genauso emotional nicht verfügbar sind und hoffe und versuche weiterhin diese Leute endlich dazu zu bringen für mich da zu sein.
Das durch die Augen des Kindes zu sehen, habe ich das erste mal so bewußt nun erlebt. Es ist schwer zu beschreiben, aber vor allem in ländlicher Umgebung (das Umfeld in dem ich aufwuchs) war es nun deutlich: Man sieht sich um, mit denselben Gefühlen von damals und sieht die Stimmung, das Licht, alles genauso wie damals, auch wenn es ein anderer Ort ist.  Kein Wunder, dass ich da so festhing und immer depressiver und lebensmüder wurde. Und Arbeit überhaupt nicht ging (übrigends auch ein Feld in dem ich stark coabhängig reagiere, was sich zeigt, dass ich oft noch 2 Tage nach dem Arbeitstag gedanklich nur dort verweile!).

Witzigerweise las ich letztens ein dünnes Büchlein das ich fand: Wenn Männer zuviel trinken. Es tat gut darin zu lesen, aber da dämmerte es mir immer noch nicht, wie sehr ich schon wieder in meiner Sucht stecke. Ich dachte das hätte ich hinter mir gelassen. Weit gefehlt

Ich, Alkoholikerkind

Ich hab ein wenig in meinen alten Aufzeichnungen gestöbert.

Hier ein paar Ausschnitte, aus dem Jahre 2013:

Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit – wie erwachsene Kinder von Suchtkranken Nähe zulassen können.

Um diese Buch schlich ich mich Jahre! Viel zu heißes Thema. Jetzt aber wurde es Zeit. Ich kaufte, las und…heulte.

Der Untertitel ist sehr schlecht gewählt. Es ist nämlich kein Ratgeber.Es geht rein um das Erkennen, wie die Alkoholikerkinder in Sachen Nähe/Beziehung so drauf sind und reagieren.Es geht um die Wunde freilegen, unter all den Schichten der Abspaltung, nicht wahr haben wollen und selber süchtig agieren.Es lässt mich verstehen, warum ich solche Beziehungsschwierigkeiten habe.

S. 10: Intim und verletzlich zu sein und Nähe zuzulassen widerspricht all den Überlebenstechniken, die Kinder von Alkoholikern sich angeeignet haben, als sie noch ganz klein waren.

Die Macht emotionaler Verwicklungen ist größer als die Macht der Vernunft!

Ohja, könnte das mal bitte jemand dem Teil in mir klar machen, der ständig seinen Vater anrufen will?Mir wurde nochmal klar, warum ich mich so schnell für alles und jeden verantwortlich fühle.

Wenn beide Eltern ausfallen, übernehmen die Kinder automatisch diese Verantwortung: Ich muss alles wieder in Ordnung bringen! Und wenn ich es nicht in Ordnung bringen kann, bin ich schlecht, tauge zu nix, geht alles den Bach runter, werde ich sterben…

Obwohl ich mich schon Jahre mit diesem Thema beschäftigt habe, hat es diese Auffrischung nochmal gebraucht. Zu erkennen, was in Alkoholikerfamilien abgeht.

Das Buch half mir nochmal Klarheit zu gewinnen, über mich und meinen Umgang mit Beziehungen. Es werden alle Beziehungsthemen beschrieben. Von: Angst vor Selbstverlust über Grenzen bis hin zu Kontrolle.Und ich fand mich immer wieder darin beschrieben. Was da abgeht in mir bei Nähe, bei sozialen Veranstaltungen, bei Unzuverlässigkeit, warum ich oft überreagiere…

Auch wird die Fragen aller Fragen unter die Lupe genommen:

Was ist denn überhaupt eine gesunde Beziehung?

Ich kenne das nicht.

Ich weiß nicht wie so etwas aussieht.

Ich hatte keine Vorbilder dazu.

Dieses Buch ist jetzt eine kleine  Anleitung.

Eine Gebrauchsanweisung sozusagen.

Ein Leitfaden.

Bei uns zuhause gab es nicht einfach so Liebe.Liebe gab es eigentlich gar nicht, sondern nur Pseudozuwendung, nämlich dann, wenn ich meinen Eltern was geben konnte.

Wie: ein offenes Ohr für ihre Probleme, den Rücken kraulen wenn dieser weh tat, einkaufen, Geschenke machen.

Meine Mutter war das Kind, eigentlich noch ein Baby denn sie hing auch an der Flasche.

Das Leben in so einer kranken Familie ist eine Achterbahnfahrt. Immer aufregend, man weiß nie: geht es hoch oder runter, häng ich gleich kopfüber oder in der Kurve? Immer gab es die kleinen Kicks: wenn man doch einmal gesehen, wahrgenommen wurde, wenn man selbst im Mittelpunkt stand.

Wenn man schreckliches erlebt, gibt es oft danach auch so eine Art Hochgefühl. Das Adrenalin durchflutet den ganzen Körper und man fühlt sich wichtig, alles kreist nur ums überleben, das ganze Leben wird komprimiert, man ist euphorisch, braucht nix zu essen und wenig Schlaf…alles ist in Hochspannung.

Nach diesem Kick kann man süchtig werden.

Nun ist es so: wenn man in einer alkoholkranken Familie aufwächst, steht an erster Stelle der Alkohol. Ganz klar. Dann kommen noch andere Sachen wie der Partner, Tiere, vielleicht noch der Job,  schwerkranke Verwandte und irgendwann die Kinder.

Diese Kinder hungern emotional immer. Und nun stellen Sie sich vor, gibt es einmal alle paar Monate eine richtig große Torte (bedingungslose Liebe) was das für ein Rauschgefühl auslöst!

Man will natürlich mehr. Denn hart erkäpfte, verdiente Liebe macht umso mehr Spaß, ist gefühlt so viel mehr wert wie „einfach so geliebt“ zu werden.

Und weil diese erwachsenen Kinder aus suchtkranken Familien nur Action und Adrenalin in Beziehungen kennen, suchen sie sich Knastis, wieder Süchtige (nach Sex, Arbeit, Geldspiele, Alkohol..) oder ganz einfach emotional unzulängliche Partner, an denen sie sich wieder bis zur gnadenlosen Erschöpfung abarbeiten können.

Für ein Quentchen Liebe. (Die Liebe kriegen sie dann meist in Form eines Veilchens).

„Die eigenen Gefühle kennen sie nicht, sie sind innerlich leer. Wissen aber ganz genau was der andere braucht und wie man ihm helfen kann.“

Deswegen sind so viele Frauen mit einem Arschloch zusammen.

Sie kennen es nicht anders.

Oder sie leben alleine und fröhnen ihrer Sucht gebraucht zu werden (um endlich etwas wert zu sein) in ihrem Beruf als Krankenschwester, Kinderpflegerin, Therapeutin…bis zur völligen Erschöpfung.

Oder sie holen sich immer wieder die selbstgebaute Action ins Leben, wie Schulden, ständige Umzüge, Jobwechsel…


Letztens im Meeting,  sagte eine Frau, dass sie mindestens genauso krank ist wie ihr Mann der Alkoholiker. Das dachte ich dann bei mir auch so…Wäre ich im 12-Schritte-Programm geblieben, wäre ich wahrscheinlich nicht in der Se*arbeit gelandet. Nunja, es ist passiert und ich kann mich „nur für heute“ gut um mich kümmern und lieben so gut es geht. Und wieder weiter im Programm arbeiten. Und mir wieder mehr Spiritualität ins Leben holen. Die Leere in mir, mit gesundem füllen.

Kirsten Armbruster

Naturwissenschaftlerin - Patriarchatskritikerin - Denkerin - Publizistin - Mutter

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Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann rufe nicht die Menschen zusammen, um Holz zu sammeln, Aufgaben zu verteilen und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem großen, weiten Meer. Antoine de Saint-Exupéry

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Amat victoria curam