Ich bin heute ein wenig durch München getingelt, ohne festem Ziel. Fuhr ein Stück mit der Tram, schaute mir die Theatinerkirche an, schlenderte durch den Hofgarten und dann an der Isar zurück zur Tramhaltestelle. Da der Fluß noch viel Wasser hat, rauschte und donnerte es an einer Betonstufe besonders. Ein ergreifendes Naturschauspiel. Ich sah dem lange zu, weil man die gewaltige Energie regelrecht spürte. Und da fiel mir der Satz ein: Es war einmal ein Wassertropfen…
und nun wieder zuhause vollendete ich die kleine Geschichte:
Es war einmal ein kleiner Wassertropfen. Er schwamm in der Isar, was ihm gar nicht gefiel. Da war es voll und eng und laut, alles was er nicht ertrug. Ständig wurde er angerempelt, mal schwamm er oben, mal unten nahe am Grund. Außerdem floß der Fluß so schnell, kaum hatte er sich orientiert, war auch schon wieder alles anders. Mal musste er in letzter Sekunde einem Brückenpfeiler ausweichen und dann wieder spielenden Kindern. Oder Hunden. Die waren besonders unberechenbar, weil sie oft auch Wasser tranken und das war wirklich das letzte was er erleben wollte: Den Schlund hinabsausen in einem müffelnden Magen landen, dann durch weitere Organe geschleust und zum Schluß als stinkendes Pipi enden.
Im Fluß lauerten aber auch andere Tiere: Immer wieder kam ein Fisch vorbei der ihn nur doof anglotzte. Was? Was ist los? Hab ich was falsch gemacht? Will er was von mir? Es nervt dachte er. Um seine Laune etwas zu heben, träumte er von dem großen Baum, auf dem er mal als Tautropfen saß.Das war toll! So ganz alleine, höchsten das mal eine Ameise vorbeischaute, aber die ignorierte ihn. Er konnte sich sonnen und wärmen und ausbreiten. Die Stille war herrlich und von hoch droben konnte er alles in Ruhe beobachten. Die ersten Jogger, die Hunde die ihm nicht gefährlich werden konnten, ein Vogel der neben ihm trillierte, Leute die sonst wohin hetzten. Manche sprachen in ein kleines schwarzes Brett, manche hatten Knöpfe in den Ohren und wieder andere ein Gefäß in der Hand aus dem sie hin und wieder einen Schluck nahmen.
Kompliziert muss das als Mensch sein, dachte er weiter, um was die sich immer kümmern mussten. Haare, Kleidung, Essen, andere Menschen…nein mit solch schweren Gedanken wollte er sich nicht weiter belasten.
Er träumte lieber weiter vom Baum. Am liebsten mochte er sanfte Birken, die hatten kleine süße Blätter und eine lichte Krone, so dass er viel von seiner Umgebung sah. Ganz oben in duftenden Nadelbäumen saß er auch gerne, weil es sooo gut roch, aber es war auch ein wenig heikel, weil er auf der Spitze balancieren musste und leider oft genug hinunterfiel. Lieber ein großer Laubbaum, da konnte er sich auf einem Blatt schön ausbreiten und dann wenn die Sonne warm genug war, von ihr aufsaugen lassen. Er spürte dann in sich ein sanftes kribbeln, das immer stärker wurde, bis er sich in 1000 kleine Tropfen auflöste und zu einem winzigen Dampfwölckchen wurde und in die Luft getragen wurde. Ganz toll war es, wenn dann ein leichter Windhauch kam. Hui da wurde ihm oft ein wenig schwindelig, aber es war ein schöner lustiger Schwindel.Er wurde ganz leicht und konnte loslassen. Frei fühlte er sich, er war aber auch ein wenig gespannt wo er dann landen würde. In einem Garten oder wie letztens auf diesem komischen heißen Blech das sich rasend schnell auf Rädern bewegte? Oder auf einem Dach oder…
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