Herbstzeit ist Medienzeit. Naja für mich ist immer Medienzeit. Heute möchte ich Euch ein Buch und ein Film vorstellen, die mir sehr gefallen haben:
Einmal das Buch: Ich, Eleanor Oliphant
Eleanor Oliphant ist anders als andere Menschen. Auf Äußerlichkeiten legt sie wenig Wert, erledigt seit Jahren klaglos einen einfachen Verwaltungsjob und verbringt ihre Freizeit grundsätzlich allein. Ein Leben ohne soziale Kontakte oder nennenswerte Höhepunkte – Eleanor kennt es nicht anders.
Ich bewundere solche Menschen, denn eigentlich steht mir auch der Sinn danach, nur ein Teil meint und will zuoft das ich doch raus müsse „unter Menschen“, was erleben und ein aufregendes Leben führen. Dabei hab ich schon soviel Aufregung erlebt, dass es für 3 Leben reichen würde.
Ich mag Eleanors Selbstverständlichkeit, da ist kein Zweifel an ihrer Lebensweise, an ihrer Sicht der Dinge. Im Gegenteil sie unterstellt herrlich oft den ihr umgebenden Menschen fehlende Sozialkompetenz, was manchmal wirklich herrlich amüsant ist.
Sie erinnert ein wenig an das Asperger Syndrom und ich kann diese Menschen so gut verstehen. Doch anders als sie, habe ich durch sehr viel Beobachtung und vielen Ausgrenzungen bzw. Schmerzen gelernt „was sich gehört“ und „wie man sich zu verhalten hat“. Aber im Grunde spiele ich das nur, mein wahrer Kern ähnelt eher dem Verhalten von Eleanor: Immer ehrlich und die ganzen sozialen Gepflogenheiten am Arsch vorbeigehend lassen wie einer arroganten, eigenbrötlerischen Katze. Von daher kein Wunder, das ich innerhalb 2 Tagen den über 500 Seiten-Roman regelrecht verschlungen hatte.
Hier kann man (gleich am Anfang) den kurzen Epilog über Einsamkeit lesen. Was ich sehr zutreffend beschrieben finde.
https://books.google.de/books/about/Ich_Eleanor_Oliphant.html?id=yiaADQAAQBAJ&printsec=frontcover&source=kp_read_button&redir_esc=y#v=onepage&q&f=false
Hier noch ein paar Zitate:
„Und dann wollte er allen Ernstes mich umarmen! Entsetzt wich ich zurück.“
„Klingt als hätte jemand verdammt schlechte Erfahrungen mit dem Weihnachtsmann gemacht… Er hatte ja nicht die leiseste Ahnung, welche verdammt schlechten Erfahrungen ich gemacht hatte, früher mal.“
„ Nein danke ich möchte mich von Ihnen nicht auf einen Drink einladen lassen, denn dann müßte ich Ihnen im Gegenzug auch eine Runde spendieren, und ich fürchte, ich bin einfach nicht daran interessiert, die auf zwei Getränke entfallene Zeitspanne mit Ihnen zu verbringen.“
Nichts konnte schlimmer sein als das, was ich bereits durchgemacht habe. Das mag anmaßend klingen, ich weiß, ist aber beileibe keine Übertreibung, sondern eine schlichte Feststellung der Tatsachen. Und in gewisser Weise mag es mir sogar Kraft geben.
Das Szenario war mir bestens vertraut: Ich, die allein irgendwo herumstand und den Blick in unergründliche Fernen hielt. (…) Am Anfang hatte ich mich noch angestrengt, hatte mich bemüht dazuzugehören, aber irgendwas schien an mir zu sein, das mich von den anderen ausschloss. Es schien keine Eleanor-förmige Nische zu geben, in die ich gepasst hätte.
Wenn man so sehr von Menschen abgekapselt lebt und so gar nicht mit ihnen warm wird, hat das meist gravierende Ursachen: Auch Eleanor erlebte durch ihre Mutter Sadismus, Vernachlässigung und emotionalen Mißbrauch. Es wird aber nur grob angerissen, so dass es nicht sehr triggernd auf mich wirkte, außer zum Ende hin, als sie in Therapie ist und all ihre Verdrängung nach lässt. Da kommt man schon ins schlucken und eigenen erlebte Verletzungen und Demütigungen fielen mir ein. Nicht nur von meiner Mutter sondern zudem noch von Vater und Schwester. Als hätten sie sich gegen mich verschworen.
Die Protagonistin beschreibt wie ihre Mutter sie immer wieder fertig machte. Und sooft dachte ich beim Lesen: Sag mal spinnst du? Laß dir das nicht mehr gefallen! Du bist 30 Jahre alt!Stehst finanziell auf eigenen Beinen, hast eine eigene Wohnung! Dabei war ich ganz genauso. Immer wieder habe ich mich so nieder machen lassen, beleidigende Geschenke akzeptiert, feinsten Psychoterror ignoriert, mich beschimpfen und abwerten lassen. Und habe es auch erst mich Anfang 30 geschafft endlich nach langem hin und her den Kontakt abzubrechen. Erst zur Mutter (schon mit Mitte 20), dann Schwester, erst zum Schluß und mit am schwersten zu meinem Vater.
Doch wie ich bei meinen teilnehmenden Beobachtungen bald feststellen sollte, beruht sozialer Erfolg immer auch auf kleinen Täuschungsmanövern. Will man beliebt sein und Freunde haben, muss man bisweilen über Dinge lachen, die man ncht witzig findet, Dinge tun, die man nicht tun will oder sich mit Leuten abgeben, die einen im grunde langweilen. Für mich undenkbar. Und so hatte ich mit elf Jahren beschlossen, allein zurecht zu kommen. Wenn nur die Wahl bestand zwischen faulen Kompromissen oder Alleinsein, würde ich eben allein bleiben.
Diese Geradlinigkeit gefällt mir. Ich hab mich noch viel zu lang angebiedert, auf Kontakt gehofft oder mich total verbogen um den anderen doch noch zu gefallen.
Wir sind soziale Wesen, wir brauchen einander. Was könnte ich bei diesen Worten immer kotzen. Wenn man soviele extrem schlechte Erfahrungen mdurch Menschen erlebt hat, kann man da nur höhnisch lachen: Klar brauch ich all die Verletzungen weiterhin! Im Leben nicht! Am Arsch!
Nur ist die Reaität anders als im Buch: Irgendwann bricht sie durch: Die Sehnsucht nach Geborgenheit, nach Zugehörigkeitsgefühl, nach Anerkennung! Auch Eleanor zuckt zusammen, als man ihren Namen sagt, spürt die angenehme Wärme eines Händedrucks, den sanfte Ausdruck in den Augen des Gegenübers, das erstaunen wie gut es sich anfühlt, wenn sich jemand ernsthaft nach ihr erkundigt…
Es ist ein schönes Buch, eine leise Geschichte mit starker Wirkung! Empfehlenswert.
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Passend zu dieser Themat Isolation/Einsmakeit sah ich den Film: Die Wand.
Lange wollte ich diesen Film nicht sehen, weil ich dachte es geht um ein Bergsteigerdrama. Und solch actionreiche dramatische Filme tu ich mir nicht mehr an, dazu sind meine Nerven zu dünn.
Da er aber nun im Free-TV lief dacht ich mir: Schauste mal, kannst ja jederzeit wieder ausschalten.
Und dann war das so ein toller und stiller Film und es spielt zwar in den Bergen, aber ganz anders als vermutet!
Eine Frau fährt mit Freunden in die Berge auf eine Ferienhütte. Sie wollen jagen gehen, aber auch einfach sich vom Stadtleben erholen. Das Pärchen geht abends noch ins Dorf, kommt aber nicht mehr wieder. Als am nächsten Morgen sich die Hauptprotagonistin (sehr stark: Martina Gedeck!) auf den Weg macht, um die beiden zu suchen, stößt sie gegen eine gläserne Wand. Egal wo sie es probiert, es umgibt sie diese Wand, die undurchdringlich ist. Nur die Hütte und die nähere Umgebung bleiben ihr zum Leben. Und der Hund des Pärchens. Und so richtet es sich diese Frau dort ein. Sichert ihr Überleben mit bäuerlichen Tätigkeiten, baut Nahrungsmittel an, eine Kuh läuft ihr zu. Und so vergehen die Jahreszeiten.
So atmosphätisch, nur mit einer Stimme aus dem Off, sehr klar, oft eindringlich immer warm gesprochen. Tolle Naturaufnahmen und trotz der Schwere der Thematik doch irgendwie ruhig und friedlich. Ich fand ihn fast schon entspannend, während ein Freund den Film eher belastend empfand.
Die Autorin Haushofer des ursprünglichen Romans, selber ein ungeliebtes Kind, die Eltern gaben sie früh ins Internat.
Ein sensibles Kind, ein begabtes Kind, fantsasievoll und kreativ. Aber sein Dasein wird von klein auf überschattet von der Ablehnung, die es durch seine eigene Mutter erfährt.
Man empfindet den tiefen Schmerz des dauernd Missverstandenwerdens, wie es Kindern leider so oft widerfährt. Die kleine Meta darf nicht sein, wie sie ist, weil sie dann nicht geliebt wird.
Das so munkeln einige wird auch in dem Film Die Wand mit verarbeitet. Sozusagen autobiografische Züge.
Ich kenne diese Wand auch. Wie oft saß ich auf Kindergeburtstagen, in Kneipen…und fühlte mich so fern. So fremd.
Auch meine Mutter ist beziehungsgestört, kann keine wirkliche emotionale Nähe aufbauen. Immer wieder bin ich gegen diese gläserne Wand gelaufen, um mich schlußendlich verletzt und resigniert zurückzuziehen.
Klar hab ich Kontakte zu Menschen, auch nähere Beziehungen aber überall ist die Wand. Bei meiner Therapeutin nicht immer.
Während einer Liebesbeziehung fand ich mal das Gedicht: Einsam ist man sehr alleine, doch am schlimmsten ist die Einsamkeit zu zweit. Es hat mich umgehauen! Da fühlte noch so jemand wie ich! Als ich es meinem damaligen Partner vorlas verstand er nicht was damit gemeint sei. Nun, er war Alkoholiker, wie meine Mutter.
Eine innere Emigration werde dargestellt, heißt es von dem Film. Eine Metapher für die Einsamkeit des Menschen und seiner Gefangenschaft im Ich. Isoliert.
In einer schlimmen depressiven Phase, in der ich keinen Zugang nach außen fand, ließ ich mir einen Stacheldraht tätowieren. Um den Fußknöchel herum.
Oft hatte ich aber auch eine Sehnsucht nach diesem Alleinsein, um der Gefahr Mensch aus dem Weg zu gehen. Wie oft flüchtete ich in die Phantasie irgendwo in schöner Natur eine kleine Hütte nur für mich! Auch deswegen gefiel mir der Film so gut.
Doch der Wunsch nach Kontakt bleibt. Die Angst davor auch.