Nun bin ich seit 9,5 Jahren in voller Erwerbsminderungsrente, und seit 2 Jahren in unbefristeter. Heißt: Läuft, ohne erneuter Überprüfung, bis zu meiner Altersrente in über 25 Jahren. 25 Jahre! Was ne Zeit! Vor 25 Jahren bin ich nach München gezogen, mit zarten 16 Jahren. Zu einem Psychopathen von gestandendenen 24 Jahren. Was dann noch alles passierte, soll jetzt gar nicht groß Thema sein, aber es passierte viel! Viele verschiedene Jobs, Wohnungen, Lebensmodelle, Beziehungen, Freundschaften, Hobbys. Wilde Zeiten, schlimme Zeiten, doch ich kann schon sagen, dass ich viel erlebt habe!
Selbst die Anfangszeiten in der Rente waren spannend, trotz Angststörung allein ins Halllenbad, alleine an die Nord-und Ostsee – finanziert durch Prostitution, auch da natürlich immer was los…dann hörte ich das auf. Auch alleine verreisen war nicht mehr spannend und aufregend sondern nur noch einsam.
Nebenher immer in Konfrontation mit meinen Symptomen, die ja bei PTBS doch vielfältig sind, immer wieder versuchen, das zu bessern, zu heilen, einen vollen Minijob hinzubekommen, sowas wie ein normales Leben, zumindest ansatzweise. Alles scheiterte…
Was also nun? Was kann ich noch ausprobieren? Was noch machen? Diese geschützten Arbeitsplätze sind nichts für mich, da werde ich aggressiv.
Was tun in Rente? Stellen sich viele Menschen ab 60 diese Frage. Nur, ich bin Anfang 40, das kommt noch erschwerend hinzu. Ich sehe was andere 40-jährige geschafft haben und schaffen. Mit Mitte 20 darf man noch orientierungslos sein, oder mal arbeitslos, oder was versemmeln, mal straucheln, aber immer? Bis über 40? Irgendwann sind doch die Flausen weg! Es sind ja keine Flausen , es sind Traumafolgestörungen! Ach jetzt willste dich auf deiner Krankheit ausruhen und das immer als Ausrede benutzen?
Ich weiß es nicht. Ich weiß gar nichts mehr.
Meine Therapeutin meinte heute wieder (ich hatte nach langer Zeit doch mal wieder einen Notfalltermin, auch wenn mir der nicht sonderlich viel brachte, ich glaub die Zeit bei ihr ist definitiv vorbei): Sie schaffen viel mehr, als sie glauben, sie sind kompetent, souverän, sie schaffen viel, wenn sie müssen (ach bin ich doch einfach nur faul oder übernehmen doch nur innere Kinder ständig die Führung?). Klar kann ich funktionieren, wenn es sein muss, aber das hat mich ja erst in diese Scheiße geritten, dass ich mal NICHT gesagt habe:macht euren Scheiß alleine, dass ich immer für alle da war, dass ich immer alles managte, dass ich die Elternrolle für meine Eltern übernahm, weil die so süchtig, unreif und unselbstständig waren/sind.
Ich funktionierte immer, bei den schlimmsten Typen die mich dafü bezahlten, im schlimmsten Ausbeuterjob, mit den schlimmsten Krankheiten: ich komm klar, ich schaff das! Ich mach das! Und wenn ich vor Erschöpfung zusammenbrach: habe ich mich dafür geschämt, habe ich mich noch mehr angetrieben, noch mehr versucht um endlich wieder „auf Spur“ zu kommen, noch mehr gemacht!
Letztens fragte mich ein Bekannter, ob ich am Flohmarkt helfen wolle. Ehrenamtlich natürlich: Ein Stand am Wochenmarkt, der Sachen verkauft, der Erlös kommt dem Seniorenheim zuguten. Nur alle 2 Wochen für 2 Std. Früher hätte ich natürlich sofort JA gesagt. Coabhängigkeit deluxe! Heute: Nope weder will noch kann ich das. Und es ist mir egal! Juhu!
Mein Leben war geprägt von Drama und Adrenalin. Immer Chaos, immer Schulden, keine Verwurzelung, Trauma, Trigger, Mißbrauch, Verrat…und jetzt: Nix. Einfach nur Ruhe. Und ich halte es nicht aus.
Trotzdem ist mein derzeitiges Mantra: ich akzeptiere…
ich akzeptiere, dass ich nur kurz schwimme, weil ich zu ko bin. Und nur kurz auf der Liegewiese bleibe, weil ich mich zu ungeschützt und panisch fühle. Ich akzeptiere, dass ich derzeit nur meine Sachen machen kann, dass ich keine Kraft für „Juhu es ist kein Lockdown mehr und dafür Sommer!“ habe. Ich akzeptiere…
aber es fällt mir schwer…sehr schwer..ich versuche neues Drama in mein Leben zu holen…um dann am nächsten Tag dem Drama zu sagen: ne du, sorry, doch nicht…
Mit 32 Jahren in EU-Rente zu kommen, muss man auch mental verarbeiten, das kommt gefühlt erst jetzt dran. Weil ich merke: Der Zustand (mein innerlicher und äußerlicher) der bleibt so! Da ist nix mit großer Veränderung oder gar Verbesserung! Wie ich früher immer hoffte…
Für viele wäre in so einer Situation die Drogen der Ausweg. Das kommt für mich überhaupt nicht in Frage, da bin ich Schisser…Alkohol und Essen sind Alternativen. Wenn auch keine besseren.
Das einzig spannende derzeit im Leben ist: Wie wird das Wetter? Und welcher Tatort/Polizeiruf kommt am Sonntag?
Tja, so siehts aus…
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