Eine schwere Entscheidung

Was für ein Durcheinander. Was für ein Streß.

Am Freitag sah ich mir ja ein potenzielles neues Projekt an: Haus-und Hundesitter. Und wie letztens schon geschrieben, treffe ich meine Entscheidungen eigentlich recht schnell: Paßt der Job, ist die Wohnung was für mich, welches Handy will ich usw. im Alltag treffen wir alle unzählige Entscheidungen tagtäglich: Müsli oder nix zum Frühstück, welche Zahnpasta, Kino oder Sport usw….das geht bei mir immer flott, weil ich wenig Kraft und Nerven habe mich damit ewig auseinander zu setzen. Oft verhedder ich mich aber auch in den unzähligen Möglichkeiten die unser heutiger Lebensstandart so bringen. Luxusproblem.

Ich bin derzeit überhaupt nicht in meiner Mitte und deswegen waren die letzten Tage eine Qual: Ja oder nein, mach ichs oder nicht.

Das Anwesen mit einem wunderschönen großen Haus und einem riesigen Garten inkl. großem Weiher und Steg ein absoluter Traum. Dazu die Alleinlage, also kein Nachbar glotzt da drauf. Ein Paradies für Sozialphobiker und Naurliebhaber wie mich. Morgends barfuss durch den Garten latschen, verträumt aufs Wasser starren ohne gestört zu werden, dazu die Beschäftigung mit den Hunden. Ja Mehrzahl. 3 Stück. Zwei sehr kleine, schon ältere Hündinnen und eine größere Hundedame diese aber erst 5 Monate alt.

Da kam ich ins stocken. So ein junger Hund? Der braucht viel Führung, Konsequenz, Beschäftigung…Der kam erst vor einigen Wochen zu denen aus dem Tierheim und warbei meinem Besuch, so ängstlich, das er erstmal auf den Boden machte. Aha und wie reagiert der bitteschön, wenn Herrchen und Frauchen weg sind und ich auf einmal da bin? Ich finde das nicht sehr verantwortungsvoll.

Die Haltung der Besitzer war lapidar: Ich müsse nur da sein und halt die Hunde füttern, Auslauf hätten die im Garten genug. Das finde ich sehr unrealistisch. 3 Hunde sind 3 Lebewesen, wovon eines gerade dabei ist die Welt zu erkunden und allerlei Blödsinn anstellt und in einer sehr prägenden Sozialisationszeit ist. Wenn der nur im Garten bleibt, dann viel Spaß wenn er doch mal raus muss, der kennt keine Autos, keine Fahrräder, keine Jogger, keine anderen Hunde (vor allem Rüden) usw. Die andere Haltung der Besitzer war: Unsere Hunde hatten schon immer Macken (soso..) und ich weiß gar nicht warum die immer meine Frau beschützen wollen (hätt ich ihm sagen können, als alter Therapiehase, aber habs natürlich gelassen).

Während ich mir sofort 1000 Gedanken machte, damit es den Hunden ja gut geht und wie ich das machen würde, hatten die Herrschaften keine einzige Frage an mich. Seltsam, die überlassen mir ein sehr luxuriöses Anwesen samt Tiere…einfach so?

Das traumhafte Anwesen stand also auf der einen Seite und auf der anderen: kann ich das leisten? Realistisch gesehen! Und da haperte es, weil ein kindlicher Teil sofort außer Rand und Band war (die Natur, der Garten, die Hunde, alles positive Kindheitserinnerungen!!!), erst nach Tagen konnte ich die Zweifel zulassen. Nachdem das Adrenalin mich mürbe gemacht hatte:

1. ich war sofort wie besessen von dem Ganzen. Konnte an nichts anderes mehr denken, klares Anzeichen von starker Coabhängigkeit.

2. bei kleinsten Schwierigkeiten/Dinge die anders laufen gerate ich sehr schnell in Panik, vor allem wenn es in der Arbeit ist, ich bin sehr ängstlich. Was also wenn da irgendwas ist mit den Hunden, ich kann dann nicht mehr klar denken, keine gute Voraussetzung.

3. ich kann derzeit wieder sehr schlecht Grenzen setzen, mir gegenüber und erst recht nicht anderen, ich spüre mich zu schlecht, bin zu schnell erstarrt, als das ich mich noch wehren könnte. Grenzen setzen triggert mich, weil ich dafür früher hart dafür bestraft worden bin. Denkbar ungünstig, wenn man bedenkt wie oft man Hunden Grenzen setzen muss und erst recht einem Junghund!

4. erinnerte ich mich an ähnliche Situationen, z.B. als ich tagelang mal meinen Neffen als Kleinkind hatte oder mein damaliger Teilzeit-Pflegehund mal tagelang bei mir war: ich war danach total erschöpft, weil ich einfach keinen Abstand fand, nachts nur halb schlief aus Angst was zu überhören wenn was gewesen wäre und mich jederzeit zu 100% verantworlich fühlte. Und das soll ich jetzt 14 Tage mit 3 Lebewesen machen?

5. diese hohe Verantwortung triggert mich ebenso, da ich als Kind sehr früh sehr viel verantwortung tragen musste, kann ich das einfach nicht mehr. Mein letzter Zusammenbruch kam genau daher.

Jeder denkt sich jetzt wahrscheinlich: Mädl das is doch klar, um Gottes Willen lass es…Ja ihr habt auch nicht diesen sehr starken kindlichen Teil, das nur schreit: ich will!!! Und alle Gründe die dagegen sprechen nieder bügelt mit 1000 Gegenargumenten: du kannst da super entspannen, allein die Terasse! Und das knuddeln und spielen mit Hunden, das wird schon, glaube mir. Du musst ja nicht draußen gassi gehen! Da gibts einen Fitneßraum da kannst dein Adrenalin abbauen! Du schaffst das schon…usw.

Selbst wenn es überfordernd ist, das ist immer noch das was ich kenne! Das ist dasselbe schädliche Muster, wie wenn Frauen in mißbräuchlichen Beziehungen bleiben: oft kennen sie nur solche Beziehungen. Und was man kennt ist gut, alles andere macht ja Angst. So ist es bei mir auch: Action, Drama, Aufopferung für andere das kenn ich super! Ruhig leben, meine Sachen machen, Spaß, Erholung das schiebe ich gerne mal hinten runter. Kenn ich nicht. Das kann nicht „richtig“ sein.

Und so ging dieses innerliche Tauziehen hin und her…bis ich abgesagt habe und jetzt unendlich traurig bin und kein Trost und kein Argument hilft. Wieder versagt, wieder der Angst nachgegeben, die inneren Knüppel marschieren auf…

Mein innerer Perfektionist ist hellwach. Hab ich in weiser Vorraussicht abgesagt motzt er, wäre ich nach dem Job wieder mal erschöpft zusammen gebrochen, hätt er gemotzt und währenddessen hätte man eh alles besser machen können (mehr Spiele für die Hunde überlegen, keinen Fehler machen, das Haus zu dreckig hinterlassen usw.).

Niemals hätte ich es gut genug gemacht. Dieser innere Richter bringt mch nochmal um.

Ich glaube ich gehe nächste Woche mal in den großen Tierpark. Da bin ich nicht überfordert, trage keine Verantwortung, der kindliche Teil in mir hat Spaß und abends geh ich einfach wieder heim.

Jetzt aber muss ich mich um mich kümmern, diesen kindlichen Teil, die Verantwortung mir gegenüber, schauen woher wieder diese krasse Coabhängigkeit kommt, meine Grenzen und Bedürfnisse wieder spüren….

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